Russlands ehemaliger Präsident und langjähriger Putin-Freund Dmitri Medwedew hat seit Beginn der Ukraine-Invasion schon mehrmals das Schreckgespenst eines nuklearen Konflikts um die Ukraine beschworen. Am Sonntag hat er nachgelegt. Moskau müsse eine Atomwaffe einsetzen, wenn die laufende Gegenoffensive Kiews erfolgreich sein sollte, erklärte er auf seinen offiziellen Social-Media-Kanälen.

Putin (r.) mit Medwedew (l.): Russlands Ex-Präsident galt lange Zeit als „gemäßigte Stimme“ aus Russland. Seit der Ukraine-Invasion wurde er in seinen öffentlichen Äußerungen eher zu „Putins Mann fürs Grobe“.Mikhail Svetlov/Getty Images

Medwedew erklärte wörtlich: „Stellen Sie sich vor, wenn die von der NATO unterstützte Offensive erfolgreich wäre und sie einen Teil unseres Landes abreißen würde, dann wären wir gezwungen, eine Atomwaffe nach den Regeln eines Dekrets des russischen Präsidenten einzusetzen. Es gäbe einfach keine andere Möglichkeit. Unsere Feinde sollten also für den Erfolg unserer Kämpfer beten. Sie sorgen dafür, dass ein globaler nuklearer Brand nicht entfacht wird.“

Medwedew stützt sich auf Nukleardoktrin, Kritiker sprechen von Angstmache

Medwedew hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren als einer der größten Falken Moskaus profiliert. Kreml-Kritiker werfen ihm vor, mit extremen Äußerungen die westlichen Länder von weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine abhalten zu wollen.

Die Ukraine-Invasion wird seit ihrem Beginn von der Angst vor einem Atomkrieg begleitet.

Mit seinen jüngsten Äußerungen schien sich der Putin-Vertraute auf die russische Nukleardoktrin zu beziehen, die besagt, dass Atomwaffen als Reaktion auf eine Aggression gegen Russland eingesetzt werden können, selbst wenn diese mit konventionellen Waffen erfolgt, allerdings die Existenz des russischen Staates bedroht.

Ukraine bei Gegenoffensive zunächst ein Fünftel der NATO-Ausrüstung verloren

Die Ukraine versucht zurzeit Gebiete zurückzuerobern, die Russland einseitig annektiert hat. Putin behauptete am Samstag, dass es in den vergangenen Tagen keine ernsthaften Veränderungen auf dem Schlachtfeld gegeben habe und dass die Ukraine seit dem 4. Juni große Mengen an militärischer Ausrüstung verloren habe. Kiew zufolge machen die ukrainischen Streitkräfte zurzeit bei der Rückeroberung von Gebieten hingegen Fortschritte, wenn auch langsamer als gewünscht.

Selenskyj und Putin geben unterschiedliche Einschätzungen über den Verlauf der Gegenoffensive ab.GETTY/APA

Gemäß der „Financial Times“ hat die ukrainische Gegenoffensive zunächst tatsächlich schwere Verluste erlitten. Beim Vorstoß in die ausgedehnten Felder im Süden des Landes verlor Kiew nach Angaben ukrainischer und westlicher Offizieller fast ein Fünftel der für die Operation bereitgestellten NATO-Ausrüstung.

Neue Taktik: Zuerst Artilleriefeuer, erst dann rückt die Infanterie vor

In Reaktion darauf hat Kiew seine Taktik offenbar geändert, die zu hart erkämpften, aber greifbaren Ergebnisse auf dem Schlachtfeld geführt haben soll, „und das zu erträglicheren Kosten“. Anstatt über russische Minenfelder zu flitzen und zu versuchen, die feindlichen Linien mit NATO-Panzern zu durchbrechen, konzentrieren sich die ukrainischen Streitkräfte nun darauf, die russischen Verteidigungsstellungen mit schwerem Artilleriefeuer zu beschießen.

Mehrfachraketen-Werfer sollen den Weg freu machen für Infanterieeinheiten.Wolfgang Schwan/Anadolu Agency via Getty Images

„Artilleriegeschütze mit Mehrfachraketen und Haubitzen, die zum Teil mit von den USA gelieferter Streumunition bestückt sind, sollen den Weg für kleine Teams von Sappeuren und Infanterieeinheiten frei machen“, schreibt die Financial Times. Ein Batteriekommandeur einer ukrainischen Artillerieeinheit mit amerikanischen M777-Haubitzen wird zitiert: „Wir schlagen den Feind, dann rückt unsere Infanterie vor“. Das sei die neue Strategie. „Wir bereiten die Bedingungen am Boden so vor, dass unsere Truppen nur minimale Verluste erleiden.“

Schon im September Abrams-Panzer aus USA auf dem Schlachtfeld

Die militärische Unterstützung für Kiew wird zurzeit fortgesetzt. Laut „Politico“ werden die USA voraussichtlich schon im September mit der Lieferung von Abrams-Panzern an die Ukraine beginnen. Das US-Magazin berief sich dabei auf sechs Beamte im Pentagon. „Geplant ist, eine Handvoll Abrams-Panzer im August nach Deutschland zu schicken, wo sie einer letzten Überholung unterzogen werden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, wird die erste Charge Abrams im folgenden Monat an die Ukraine geliefert.“ Die USA schicken ältere M1A1-Modelle, nicht die modernere A2-Version, die ein Jahr gebraucht hätte, um auf das Schlachtfeld zu gelangen.

Bereits im September sollen Abrams-Panzer aus USA auf dem Schlachtfeld sein.