Die Corona-Krise hat eine auf den ersten Blick paradoxe Folge: Die Bürger haben deutlich mehr Geld auf dem Sparbuch als in den Jahren zuvor. Der Grund: Sie geben weniger aus und behalten das Geld lieber. Viele Unternehmer hoffen, dass sich das bald ändern wird, doch weder Ökonomen noch Finanzbranche erwarten den großen Kaufrausch. Interessanterweise leiden auch die Banken unter der hohen Sparfreude ihrer Kunden.

Deutsche haben um 182 Milliarden Euro mehr am Konto

Nun legt die Deutsche Bundesbank die jüngsten Zahlen vor. Ergebnis: Die Bankeinlagen der privaten Haushalte sind von Jänner 2020 bis Jänner 2021 um 182 Milliarden auf 1,73 Billionen Euro gestiegen – ein Trend, der sich überall abzeichnet. Das Münchner Ifo-Institut schätzt die „Überschussersparnis“ 2020 in seiner jüngsten Konjunkturprognose auf 100 Milliarden Euro – und geht davon aus, dass diese Summe im ersten Quartal noch einmal steigt.

Doch weder die Ökonomen noch die Finanzszene rechnen mit einem neuen Kaufrausch. Am verhaltenen Konsumverhalten der Bürger dürfte sich so schnell nichts ändern. „Ich meine, dass wir auf Sicht bis Jahresmitte eine ähnliche Situation haben werden“, sagt Jürgen Gros, Präsident des bayerischen Genossenschaftsverbands GVB, dem Dachverband der Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat. Gleichzeitig wurden Dispokredite kaum in Anspruch genommen, „weil die Verunsicherung bei den Menschen extrem groß ist“. Gros ist überzeugt: „Die Einlagen werden weiter wachsen, das zeigt sich schon in den ersten acht Wochen des neuen Jahres.“

Der Spareifer ist unfreiwillig

Teilweise sei der Spareifer unfreiwillig, sagen Bundesbank, Ökonomen, Praktiker und die Finanzbranche einhellig. „Die Kunden hatten deutlich weniger Möglichkeiten zum Konsumieren“, sagt Christian Nau, Geschäftsführer des Kreditbereichs beim Online-Portal Check24. „Urlaubsreisen waren kaum möglich, auch größere Anschaffungen gar nicht so einfach.“

Darüber hinaus „sind die Banken bei der Kreditvergabe an weniger bonitätsstarke Kunden vorsichtiger geworden. Manche haben Kredite nicht mehr bekommen, die sie vor der Krise noch bekommen hätten.“

Es hängt von den Corona-Zahlen und Lockerungen ab

Irgendwann werden die Bürger beginnen, wieder mehr auszugeben – aber wann und wie viel? Erst wenn die Krise abklingt, sagen alle Fachleute. „Allerdings nicht schlagartig mit einem Big Bang, genauso wenig, wie die Krise mit einem Big Bang vorübergehen wird“, prophezeit Check24-Kreditmanager Nau.

„Das steht und fällt mit der Entwicklung der Infektionszahlen und den damit einhergehenden Lockerungen“, meint Konsumforscher Rolf Bürkl von der Nürnberger GfK. „Es ist ein gewisser Nachholbedarf aufgelaufen, gerade wenn ich an Urlaub denke.“

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Ein neuer Tourismus-Boom ist wahrscheinlich

Nur kann nicht alles, was Corona-bedingt ausgefallen ist, nachgeholt werden: „Ich gehe nicht alle zwei Wochen zum Friseur, weil ich davor ein halbes Jahr gar nicht gehen konnte“, erläutert Bürkl. „Beim Urlaub ist durchaus möglich, dass die einen oder anderen vielleicht einmal mehr in den Urlaub fahren oder sich einen aufwendigeren Urlaub leisten, weil sie die finanziellen Mittel haben und sich etwas gönnen wollen.“

Die gestiegene Urlaubssehnsucht dürfte sich bald bemerkbar machen. Höhere Preise dürften daran auch nichts ändern.sarahbernier3140 auf Pixabay

Alle rechnen auch mit einem Preisanstieg im Tourismus. Die schwer getroffene Tourismusindustrie wird mit großer Wahrscheinlichkeit versuchen, einen Teil ihrer immensen Umsatzverluste durch Preiserhöhungen hereinzuholen. Gleichzeitig werden die Menschen gerade hier voraussichtlich wieder mehr ausgeben.

Die Preise für Kinokarten werden eher nicht steigen

„Nach der langen Pandemie wollen die Menschen bestimmt wieder gerne verreisen und mal was anderes sehen“, sagt der Ökonom Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Hier ist die Zahlungsbereitschaft vermutlich stark gestiegen, da nach einer Pandemie viele keinen Urlaub zu Hause machen wollen, so dass die Kunden auch bei gestiegenen Preisen noch verreisen wollen.“

Die entgangenen Friseurbesuche kann man nicht nachholen. Die künftigen dürften aber teurer werden.APA/ROLAND SCHLAGER

Selbst höhere Preisen würden am Steigen der Nachfrage nichts ändern, sagt der Fachmann für Geldpolitik und Finanzmärkte. Auch Friseurbesuchen und Konzertkarten dürften künftig die Geldbörse stärker belasten. Andere werden es nach Demarys Einschätzung schwerer haben, höhere Preise durchzusetzen – Kinos beispielsweise, denen die Streamingdienste Konkurrenz machen.

Banken leiden unter den Negativzinsen

Ersehnt wird ein Ende der Pandemie nicht nur von Hoteliers oder Kinobesitzern, sondern auch von den Banken: Bemerkenswerterweise sind für sie vielen zusätzlichen Milliarden auf den Konten ihrer Kunden eine höchst eine unwillkommene Last. Der Grund ist die extrem lockere Geldpolitik der Zentralbanken mit ihren Null- und Negativzinsen. Banken müssen die Gelder der Kunden ihrerseits anlegen, und das kommt sie zurzeit wegen der anhaltenden Negativzinsen sehr teuer.

Mit weiterreichenden Prognosen sind aber viele zurückhalten, wie schon während der gesamten Pandemie. „Ob es tatsächlich zu zusätzlichen Konsumausgaben im nennenswerten Umfang kommt, ist allerdings fraglich“, schreibt Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser in seiner Frühjahrsprognose.