Man könnte meinen, dass in einer (wahrscheinlichen) Dreierkoalition, bestehend aus zwei wirtschaftsliberalen und einer sozialdemokratischen Partei, Themen wie Entbürokratisierung, Steuerentlastungen und Streichung von Förderungen so selbstverständlich wie das Amen im Gebet wären. Doch: Pustekuchen, wie die Deutschen zu sagen pflegen.

Aus den Verhandlungszimmern sickerte durch, dass es einen Plan gebe, die Zahl der aktuell 14 Ministerien auf mindestens 16 zu erhöhen. Die NEOS könnten ein eigenes „Zukunftsministerium“ bekommen und das Riesen-Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) könnte aufgeteilt werden. Statt zwei, bestehe die Möglichkeit, dass es unter der neuen Zuckerl-Koalition sogar vier Staatssekretäre gebe. Das bedeutet: Ein aufgeblähter Staatsapparat mit Ministerposten und Mitarbeitern noch und nöcher.

Die Regierung müsste die Kettensäge schwingen

Dabei hieße das Gebot der Stunde: sparen, sparen, sparen. Bevor die neue Regierung Steuererhöhungen erwägt oder gar die Einführung neuer Steuern – zuletzt brach sogar Bundeskanzler Karl Nehammer mit dem schwarzen Mantra, dass es mit der ÖVP keine weiteren Staatseinnahmen gebe – sollte die neue Regierung selbst mit gutem Beispiel voran gehen und, nach dem Vorbild des argentinischen Präsidenten Javier Milei, die Kettensäge im eigenen Haus schwingen.

Hier sei an den legendären „Afuera!“-Moment des Ultraliberalisten erinnert: Während des Wahlkampfs im Jahr 2023 ging ein Video weltweit viral, dass Milei vor einer Tafel stehend zeigte. Auf ihr waren kleine Kärtchen mit den Namen aller 18 Ministerien gepickt. Mit ersichtlich südamerikanischem Feuer und kindlichem Schabernack-Gestus reißt der 54-Jährige mit ausladender Handbewegung und einem lauten „Afuera!“-Ruf (auf deutsch: „Hinaus!“ oder „Raus!“) jene Ministerien-Kärtchen von der Tafel, welche er, sollte er das Präsidentenamt erhalten, eliminieren würde. Damals flatterten unter anderem „Kultur“, „Umwelt“, „Frauen, Gender und Diversität“ oder „Arbeit“ von der Tafel.

Die harten Sparmaßnahmen des Argentiniers zeigen Erfolge

Milei zeigte sich konsequent und setzte seine Ankündigungen tatsächlich um. Der Wirtschaftswissenschaftler halbierte die Zahl der Ministerien von 18 auf neun und baute hunderttausende Beamtenstellen von heute auf morgen ab. Manche Ministerien wurden tatsächlich abgeschafft, wie zum Beispiel jenes für Frauen und Diversität, andere wurden zusammengelegt.

Diese und weitere harte Sparmaßnahmen wie Privatisierungen und Bürokratieabbau des argentinischen Präsidenten zeigten Erfolg: Die Inflationsrate ist im ersten Jahr seines Amtes deutlich zurück gegangen und auch die Lebensmittelpreise stiegen weniger stark. Auch konnte die Regierung erste Haushaltüberschüsse erzielen, was es seit Jahren nicht mehr gegeben hat im Land.

Kampf gegen Sozialismus und Wokeness

Der Kampf des Exzentrikers gegen Sozialismus ist gleichzeitig auch einer gegen Wokeness. Das zeigt sich nicht nur in der Streichung des erst 2019 eingeführten Frauen- und Diversitätsministerium. Die Antidiskriminierungsbehörde INADI wurde geschlossen, Gendern ist in Behörden, wie seit der schwarz/blauen Regierung in Niederösterreich und bald in der Steiermark, verboten. Auch mit kostenlosen Verhütungsmitteln ist unter Milei Schluss.

In der neuen „Zuckerl“-Koalition – sollte sie denn zustande kommen – ist kein mileisches „Afuera!“ zu erwarten, obwohl es das Land und vor allem die Wirtschaft bitter nötig hätten. Zu einem derart anarcho-liberalen Ansatz fehlt den österreichischen Politikern quer durch alle Parteien der Mut. Selbst von den NEOS, die sich zwar nach außen einen liberalen Anstrich verpassen und in ihrem Parteiprogramm großmundig von Steuersenkungen und weniger staatlicher Bevormundung reden, kann man von dem, was bisher aus den Koalitionsverhandlungen hinausgedrungen ist, keine Handschrift erkennen.

Fehlende Eigenverantwortung

Doch ein harter Sparkurs und Einschnitte bei staatlichen Leistungen werden sich auf längere Sicht nicht aufhalten lassen. Das ist unter anderem eine Konsequenz der katastrophalen demografischen Situation. Auf den Boden der Tatsachen verwies kürzlich der Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS, Peter Lehner. Er kündigte die Notwendigkeit eines „Ende des Leistungsausbaus“ im Gesundheitssystem an. Ansonsten sei die Sozialversicherung und das „solidarische System“ gefährdet. Man müsse sich künftig auf das „Wesentliche“ der Gesundheitsversorgung fokussieren. Lehner merkt kritisch an, dass sich die Österreicher davon entfernt haben, Eigenverantwortung zu übernehmen.

Welch wohltuend ehrliche Worte! Worte, die man sich eigentlich von Politikern erwarten würde. Doch ein österreichischer Javier Milei mit Kettensäge, der dem aufgeblähten Staatsapparat den Kampf ansagt, ist weit und breit nicht in Sicht.