Anna Dobler: Grüne Umverteilung durch die Hintertür
Vor der Bundestagswahl im Herbst versuchen sich die deutschen Grünen als Volkspartei zu etablieren. Ihre ökosozialen Pläne entpuppen sich bei näherer Betrachtung aber als populistisch und kurzsichtig. Konsequenter wäre es, dem eignen Markenkern treu zu bleiben statt laufend Teuerung und Umverteilung zu forcieren. Wenn Klimaschutz kostet, muss es das vorrangige Ziel sein, Klimaschutz erschwinglicher zu machen.
Die deutschen Grünen haben im Moment zwei Probleme: Zum Einen mangelt es ihnen an realpolitischer Erfahrung, was immer wieder in absurden Forderungen zum Ausdruck kommt, wie sich jüngst am Parteitag wieder gezeigt hat. Zum Anderen haben sie sich von einer Protest-Partei von unten zu einer Establishment-Partei der Oberstudienräte, der Ärzte, der Architekten und Finanzbeamten gewandelt.
(Wer jetzt die Spitzenkandidatin als drittes Problem ins Feld führen möchte, dem sei gesagt, dass ihre Vita-Flexibilität in der eigenen Wählerschaft für weit weniger Empörung gesorgt hat als außerhalb – insofern ein überschaubares Problem aus grüner Sicht.)
Diese beiden Probleme kulminieren in sozialpolitischen Vorhaben der Partei, wie etwa dem „Energiegeld“, das man bei näherer Betrachtung getrost als Populismus bezeichnen kann. Die Grünen haben nämlich im Wahlkampf finanziell schwache Familien für sich entdeckt – und zwar nicht wie sonst jene aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea sondern die aus Hasenbergl, Spandau oder Uecker-Randow. Die von ihnen angestrebte stärkere Erhöhung des CO2-Preises soll mittels einer Kopf-Pauschale vor allem ärmere Haushalte finanziell entlasten. Weil ärmere Menschen angeblich weniger schuld sind an der Klimakrise als Wohlhabende, wobei es doch die Wohlhabenden sind, die sich jetzt schon Solaranlagen aufs Eigenheim-Dach bauen, Elektro-SUVs fahren und unverpackte Lebensmittel kaufen. Das Bildungsbürgertum kann es sich längst leisten, grün zu handeln und zu konsumieren.
Das langfristige Ziel muss sein, den CO2-Preis zu senken und nicht zu erhöhen
Toll, möge sich da der deutsche Steuerzahler angesichts des winkenden Energiegeldes denken, die Unternehmen werden für Klimasünden bestraft und der Bürger bekommt Geld vom Staat geschenkt. Und das auch noch anrechnungsfrei. Gegen Geldgeschenke kann eigentlich niemand etwas haben – in dem Fall sind sie aber eine Mogelpackung, weil sie im Kern nichts anderes sind als eine grüne Umverteilung durch die Hintertür. Denn wenn die Grünen wirklich konsequent wären, würden sie die zusätzlichen staatlichen Einnahmen nicht munter verteilen, sondern tatsächlich ausnahmslos investieren in klimafreundliche Maßnahmen, damit der CO2-Preis schnellst möglich wieder gesenkt werden kann. Das muss nämlich das Hauptziel sein.
Unterm Strich federn die Grünen Pläne für den Endverbraucher aber nur kurzfristig ab, was sie selbst durch ihren brutalen Eingriff in die freie Wirtschaft als Mehrkosten verursachen würden. Jene Pauschale kann also nur maximal den ersten Kostenschock dämpfen, bevor sie langfristig der Inflation zum Opfer fällt. Besonders hart treffen solche Pläne übrigens weniger soziale schwache Haushalte sondern eher ihre (potenziellen) Arbeitgeber – also jene Unternehmen, die ihre (Produktions-)Prozesse nicht entsprechend umstellen können.
Sinnvoller wäre es daher, die zusätzlichen Einnahmen vollständig in wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu investieren, etwa indem man beim Emissions-Teiber Verkehr umweltfreundliche Alternativen stärker subventioniert. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eine Milliarden-Spritze für Öffis, wo die Preise in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Das wäre auf lange Sicht zielführender, um die Klimaziele zu erreichen, als pauschale Geldgeschenke.
Die Union wird sich fügen – zumindest teilweise
Nach jetzigem Stand ist ein höherer CO2-Preis in Deutschland tatsächlich im Bereich des Möglichen, denn das “österreichische Modell”, das von Teilen der Union favorisiert wird, hat gezeigt, dass eine schwarz-grüne Koalition am ehesten harmoniert, wenn jeder Partner seine drei, vier Hauptvorhaben ungehindert und unabhängig umsetzen kann. Weder CDU/CSU noch die SPD haben in den vergangenen Jahren höhere Öko-Abgaben ernstlich mit Nachdruck verfolgt, aber die Grünen haben die CO2-Teuerung ganz oben auf ihrer Agenda platziert – schon alleine deswegen, weil starke Lobby-Gruppen wie Fridays For Future bei dem Thema Druck machen und einen noch viel hören Preis fordern, als er im Wahlprogramm der Partei eigentlich verankert ist (60 Euro pro Tonne bis 2023). Gut möglich also, dass die Union in den Verhandlungen einknicken und zumindest einer teilweisen Erhöhung zustimmen wird, freilich zähneknirschend die wirtschaftlichen Folgen im Blick.
So sehr sich die Grünen aber auch bemühen: Eine Volkspartei wie CDU oder SPD sind sie nicht und das werden sie auch nicht mehr bis zur Wahl. Klüger wäre es also, sich auf den eignen Markenkern zu fokussieren. Vielleicht findet man dann auch mal neue Antworten auf alte Fragen.
Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.
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