Bernhard Heinzlmaier: Hoch lebe die würdige Bestattung der Ampel-Farce
Angeblich befinden wir uns gerade inmitten einer Staatskrise, zumindest, wenn man den österreichischen Mainstreammedien glaubt. Der gelernte Österreicher weiß aber schon längst, dass eine solche existentielle Krise des Staates immer dann ausgerufen wird, wenn Dinge passieren, die der herrschenden Klasse nicht in den Kram passen.
Das ist in Deutschland übrigens ganz ähnlich. Dort wird regelmäßig der Untergang der Demokratie beschworen, wenn der Souverän die falsche Partei wählt. Falsch und „undemokratisch“ wählt man, wenn man in Deutschland die AfD, in Österreich die FPÖ ankreuzt. Denn man unterstützt dann Parteien, die die heile Welt, in der es sich die alten politischen Eliten so gemütlich eingerichtet haben, erbarmungslos herausfordern. Und Herausforderungen können abgelebte, zittrige, sklerotische und hinfällig gewordene politische Parteien überhaupt nicht brauchen, die von Wahl zu Wahl gerade einmal so recht und schlecht ihr Überleben zu sichern vermögen.
Das Ende der Angstreligionen
Das Schlimmste, was den Vertretern der greisen und verbrauchten Narrative Sozialismus, Konservatismus und Liberalismus passieren kann, ist, dass man sie in einen Diskurs hineinzuziehen versucht, denn nachvollziehbare Argumente sind ihnen längst ausgegangen. Und weil sie nichts mehr Vernünftiges zu sagen haben, bedienen sie sich eines giftigen Moralismus, der dem Souverän ständig mit Strafe und Weltuntergang droht, wenn er nicht so tut, wie die Macht es will. Hugo Ball hat einst die Kirche als „Erlösungsbetrieb von wenig Belang“ bezeichnet. Aber wenn die alten „Erlösungsbetriebe“ vergehen, treten sofort neue auf den Plan. Offensichtlich sind die Menschen doch etwas erlösungssüchtig.
Die politischen Parteien sind an die Stelle der alten Religionen getreten. Sie haben sich in immanente Religionen ohne Jenseitsversprechen verwandelt, die aber ebenso wie ihre gottgläubigen Vorgänger im Souverän zumindest leicht vertrottelte kindische Sünder sehen, denen man mit ökologischem Weltuntergang, Klimakatastrophen, einer Krankheit zum Tod oder einer despotischen Bestie aus dem Ausland drohen muss, will man sie zur Raison und auf Linie bringen. Aber nun hat sich die Macht der Angstmacherei erschöpft. Das Wahlvolk nimmt die Angstkampagnen, als das wahr, was sie sind, Stürme der leeren Worte, die sie gefügig machen sollen und wendet sich der einzigen Alternative zu, die es gegenwärtig noch im politischen Angebot gibt, den rechten Parteien. Und das ist natürlich ein Skandal.
Die hohlen Phrasen der Kaiser-Erinnerungsfigur
Der österreichische Bundespräsident ist eine schrullige alte Klischeefigur. Er verhält sich manchmal wie der renitente Opa, dem die Familie mit gespielter Ehrfurcht zuhört, während sie milde in sich hinein lächelt. Politisch betrachtet, ist der Bundespräsident eine substanzlose Kaiser-Erinnerungsgestalt, die in einem musealen Bauwerk im Zentrum der Hauptstadt amtiert und nur dann auftreten darf, wenn es eine Regierung anzugeloben gilt oder eine „Staatskrise“ gibt. Darüber hinaus ist er dazu da, Feiertagsreden zu halten. Nachdem er Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung übertragen hat, hielt er eine seiner staats-pädagogischen Reden, in der er die üblichen hohlen Phrasen der Staatsverantwortlichkeit gedroschen hat, dabei aber nicht darauf verzichten konnte, den zukünftigen Bundeskanzler rhetorisch zu einem Lausbuben zusammenzuschrumpfen, den er „schon explizit gefragt hat, ob er sich wirklich zutraut, eine tragfähige Lösung zu finden“. Man kann gespannt sein, ob er dem Schlawiner, wenn er ihn dann zum Bundeskanzler angelobt, auch verschmitzt ein Lutschbonbon zur Belohnung in den Mund schieben wird. Ein schon verstorbener Wiener Erzbischof soll das früher gerne bei Kanzlern und Ministern gemacht haben. Und nicht zu deren Freude.
Die Neos als Retter der Würde der Politik
Dass die von den Medien mit verbalem Weihrauch schmeichlerisch hofierten drei heiligen Könige des Sozialismus, Konservatismus und Liberalismus an der Etablierung einer „Zuckerl-Koalition“ scheiterten, kam überraschend. Zumindest für mich. Ich hätte den Dreien eine ausgeprägtere nihilistische Grundhaltung zugeschrieben. Meine Annahme, dass die österreichischen Parteien ausnahmslos Anhäufungen von Opportunisten ohne ehrlicher Überzeugung sind, denen es nur um Macht und materielle Vorteile geht, war zumindest in ihrer Totalität falsch. Wenigstens die Neos verfügen offensichtlich noch über genügend politische Aufrichtigkeit und Klarsicht, um realisieren zu können, dass Lenin und Friedrich von Hayek nicht miteinander koalieren können. Denn zwischen diesen besteht kein aufhebbarer dialektischer Widerspruch, sondern ein inkommensurabler Widerstreit.
Sprengmeister Babler vollendet das Werk des Ampel-Untergangs
Ohne Sprengmeister Andreas Babler hätte sich das Leben der Zuckerl-Illusion wohl noch etwas länger hingezogen. Doch weil dieser den marxistischen Klassenkämpfer geben zu müssen glaubte, verstörte er den violetten Zusammenschluss aus Großbürgern und alten Adel. Und auch die ÖVP konnte die quälende Mischung aus leninistischem Fanatismus, Kulturdefiziten und mangelnder Impulskontrolle allmählich nicht mehr ertragen. Wenn man der irren Verschwörungstheorie anhängt, dass die Welt in zwei antagonistische Klassen gespalten ist, die sich unversöhnlich gegenüberstehen und deren Konflikt nur durch die Diktatur des Proletariats zu lösen ist, dann hat man in einer Zeit, die durch eine breite Ausdifferenzierung der Gesellschaft in eine unüberschaubare Fülle von Milieus, Szenen und Interessensgruppen geprägt ist, in der Politik nichts verloren. Und wenn noch dazu kommt, dass man nicht begriffen hat, dass Wahlen heute primär durch symbolische Formen, Repräsentation von Lebensstilen und der performativen Kompetenz politischer Leitfiguren entschieden werden und nicht durch Wahlprogramme, Volksreden und martialische Arbeiterbewegungsrhetorik, dann ist es besser, man verlässt die Politik, schließt sich mit einem Fläschchen Comandante-Wein und der Lenin-Werkausgabe aus dem Dietz Verlag, dem Verlag des Zentralkomitees der SED, in ein gemütliches Kellergewölbe ein und lässt sich vom hölzernen Sprachduktus des größten Arbeiterführers aller Zeiten berauschen.
Die erfolgreiche politische Praxis kommt nicht aus der Klamottenkiste der Arbeiterbewegung, sondern aus dem Verständnis des Zeitgeists, den man in sich aufnehmen muss. Weil Herbert Kickl Hegel gelesen und verstanden hat, weiß er das und wird wohl der nächste Bundeskanzler werden. Und dem Adepten des Hegelverdrehers Marx wird wohl nur die Oppositionsbank bleiben. Man sieht, die Geschichte ist noch immer gerecht.
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