Christian Klar: Und wieder einmal gibt es Stimmen für die gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen, ohne sich mit der Realität zu beschäftigen!
Regelmäßig taucht in der Diskussion über Schule die Idee auf, eine gemeinsame Schule der 10-14-jährigen zu bilden. Das Argument dafür ist, allen Kindern die gleichen Chancen zu bieten. Würde so eine Schule wirklich gleiche Chancen für alle bedeuten oder hätte sie andere Vorteile?
Fangen wir gleich am Beginn der Bildungskarriere eines Kindes an: Wo und wann werden die ersten Weichen gestellt? Die Antwort ist eindeutig: Wer in den ersten sechs Jahren seines Lebens nicht gut gefördert wird, wird es schwer haben, diesen Rückstand aufzuholen. Hier könnte man intensiv ansetzen. Egal ob man den Kindergartenbereich in den Bildungsbereich verschiebt oder nicht, hier ist die wichtigste Zeit für gleiche Chancen für alle Kinder. Derzeit kommen in den Ballungsgebieten viel zu viele Kinder mit Defiziten in die Schule und erfüllen die Schulreifekriterien nicht. Viele von ihnen sind in Österreich geboren, können aber aufgrund fehlender Sprachkenntnisse dem Unterricht nicht folgen. Die Volksschule wird von allen Kindern gemeinsam besucht, hier hätte man noch einigermaßen gute Chancen, Rückstände aufzuholen, um eine erfolgreiche Schulkarriere einschlagen zu können.
Die Realität sieht aber anders aus: Die Schere geht immer weiter auseinander und die Unterschiede in den Leistungsniveaus sind nach der Volksschule größer als am Beginn. Mitunter gibt es Rückstände von mehreren Schuljahren. Bereits in der Volksschule ist es schwierig, die leistungsstarken und interessierten Kinder und jene, die sich schwerer tun oder wenig bis kein Interesse am Lernen haben, gemeinsam zu unterrichten. Warum sollte das nach der Volksschule anders werden? Nebenbei: Gar nicht wenige Kinder benötigen für die Volksschule statt der vorgesehenen vier Jahre fünf oder gar sechs Jahre und erfüllen auch dann die Standards noch immer nicht. Aber wie lange sollen sie in der Volksschule bleiben?
Österreichs Schulsystem ist alles andere als eine Einbahnstraße
Nach der Volksschule trennt sich die Bildungskarriere in die AHS (das Gymnasium) und die Mittelschule. Auch in der AHS sind die Kinder in ihrem Leistungsvermögen nicht homogen, ihr Bildungsstand aber auf höherem Niveau. In der Mittelschule verbleiben neben jenen, die noch nicht so weit sind, auch viele, die in ihrem Leistungsvermögen stark abfallen oder kein Interesse an Bildung haben. Die Mittelschulen schaffen es auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder gut einzugehen. Dafür erhalten sie zusätzliche Ressourcen, sind also teurer als die AHS. Einige ihrer Absolventen besuchen nachher höhere Schulen, andere berufsbildende mittlere Schulen oder sie beginnen erfolgreich eine Lehre, manchmal sogar Lehre mit Matura. Österreichs Schulsystem bietet eine Vielfalt an Wegen, ist demnach alles andere als eine Einbahnstraße. Leider gibt es auch einige an Bildung weniger interessierte und damit weniger erfolgreiche Kinder. Aber was hätten diese Kinder in einer gemeinsamen Schule erreicht? Sicher nicht mehr!
Bereits im Vorschulalter ansetzen
Worin liegt also der Vorteil einer gemeinsamen Schule bis 14? Vergleichen wir es mit dem Sport, wo der Leistungsgedanke im Vordergrund steht: Kommt irgendwer auf die Idee, die jungen Talente von Austria oder Rapid gemeinsam mit der Pfadfinderhobbytruppe trainieren zu lassen um dadurch bei allen eine Leistungssteigerung zu erzielen? Nein, weil jeder weiß, dass die jungen Talente und potenziellen zukünftigen Profis sich dadurch nicht verbessern können und hinter der Konkurrenz zurückbleiben würden. Die Hobbysportler werden im Gegenzug überfordert und demotiviert. Es ist in Mathematik, Englisch, Deutsch und allen anderen Gegenständen genauso wie im Sport.
Wer bereits vor der Volksschule zurückgefallen ist und während der Volksschule, die ja eine Gesamtschule ist, nicht aufholen konnte, wird das in der verlängerten gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen ebenso wenig schaffen, sondern durch Überforderung demotiviert werden. In der Mittelschule mit ihren Förderprogrammen bekommen diese jungen Menschen die Chance auf eine erfolgreiche weitere Bildungslaufbahn.
Möchte man sich abseits von ideologischen Prinzipien für gleiche Chancen für alle Kinder einsetzen, so muss man dies im Vorschulalter tun.
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