Christian Ortner: Glaube versetzt Berge, kühlt aber nicht das Klima
Der Kampf gegen den Klimawandel nimmt zunehmend teils religiöse, teils absurde Züge an, beobachtet eXXpress-Kolumnist Christian Ortner. Und meint, dass nur mehr Ratio, mehr Aufklärung und mehr Vernunft helfen werden, nicht aber derartige Voodoo-Rituale.
Es war das wohl ungewöhnlichste Begräbnis, das die steirische Gemeinde Großreifling mit ihren 208 Einwohnern je erlebt hat. 24 Träger waren notwendig, um den Sarg zu einem letzten Bestimmungsort zu tragen, begleitet von der lokalen Blasmusik, die, dem Anlass gemäß, traurige Musik intonierte. Ganze zwölf Meter lang war der Sarg, der dann in das Erdreich zur letzten Ruhe gebettet worden ist.
Begraben wurde da unlängst freilich nicht ein baumlanger Dorfbewohner, sondern ein ganz normaler langer Baumstamm – genauer gesagt eine Fichte, die Opfer des Borkenkäfers geworden ist.
Aktivistische Beisetzung
Das Ganze war kein christliches Begräbnis, sondern ein Kunstprojekt von Studenten der Akademie für angewandte Kunst in Wien, die solcherart auf den Klimawandel und seine Folgen aufmerksam machen wollten. Als ob das angesichts der medial befeuerten Klimapanik noch notwendig wäre, aber bitte.
Doch das Begräbnis als Form des Klimaprotests scheint in diesem Sommer irgendwie in zu sein, auch ein kleines Stück Eis von der Pasterze wurde jüngst zu Grabe getragen samt dem ganzen bei einer Beerdigung üblichen Ritual, und den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie folgend direkt vor Ort an der Flanke des Großglockners, was die ganze Performance natürlich besonders Insta-fähig machte. Und das zählt ja bekanntlich.
Nun spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass junge Menschen ihren legitimen Widerstand gegen die Politik auf diese Art und Weise artikulieren; und sehr im Gegensatz zu den elenden Klimaklebern kommt bei den gerade modernen Protest-Begräbnissen niemand zu Schaden. Vermutlich ist das Ganze für alle Beteiligten auch noch eine riesige Gaudi, warum denn auch nicht.
Politik als Religion
Und trotzdem wird hier auch ein wirkliches Problem der einschlägigen Protestbewegungen sichtbar: die Überhöhung einer politischen Auseinandersetzung, wie es viele gibt und immer geben wird, zu einer quasireligiösen Angelegenheit. Jedes vernünftige Argument, dem Klimawandel und seinen Folgen mit Ratio, Vernunft und damit vor allem den technologischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zu begegnen, wird damit zum Sakrileg. Wer darauf hinweist, dass wir schon jetzt in den entwickelten Industrieländern immer mehr Wohlstand mit immer weniger Energie generieren, wird zum Zweifler am wahren Glauben, und wer darauf hinweist, dass Klimapolitik nicht zu Verarmung führen darf, zum Ketzer erklärt.
Ich fürchte, auf diese Weise werden wir nicht wirklich zu vernünftigen, abgewogenen und ökonomisch unschädlichen Instrumenten der Klimapolitik kommen. Glaube kann vielleicht Berge versetzen, aber nicht den CO2-Gehalt der Atmosphäre senken.
Neuerdings ist auch das Theater von diesem Klima-Messianismus erfasst, was die Sache leider auch nicht besser macht. Selbst Shakespeares Sommernachtstraum kommt im Wiener Burgtheater nicht ohne raunende Hinweise auf den Klimawandel aus, obwohl das Stück im antiken Athen spielt, also in einer Zeit, als die Menschen zwar nur eine geringe Lebenserwartung hatten, das Klima aber angeblich super war.
Und weil das offenbar nicht reicht, widmet die Burg gerade gleich ein ganzes Stück dem Thema (Solastalgia), in dem das Geraune noch einen Zahn zulegt. »Dieses Habitat wird uns nicht mehr brauchen, wir sind von dieser Landschaft völlig unerwünscht. We are fucked wie nie zuvor«, heißt es da, wir können wohl davon ausgehen, dass dergleichen eher kein Kassenmagnet werden wird.
Ein Zeichen Gottes?
Leider kann auch die Kirche selbst nicht der Versuchung. widerstehen, den Klimawandel vor ihren Karren zu spannen, als wäre sie eine NGO. »Hitzewellen und Waldbrände sind ein deutliches Zeichen: Die Erde heizt sich auf! Wir können nicht weitermachen wie bisher. Es betrifft uns alle!«, meinte etwa jüngst Christoph Kardinal Schönborn. Nun sind die Waldbrände etwa in Griechenland tatsächlich ein Zeichen, aber vor allem ein Zeichen dafür, dass dort in aller Regel höchst irdische Brandstifter am Werk sind.
Sich derart liebdienerisch dem Zeitgeist anzuschmiegen, hat der Kirche freilich noch nie gutgetan; vielleicht wäre der Herr Kardinal ganz gut beraten, sich künftig wieder mehr seiner Kernkompetenz zu widmen und das profane Weltklima jenen zu überlassen, die qua ihrer Ausbildung dazu berufen sind.
Das Leben der Menschen langsam und vor allem ohne Einbußen an Wohlstand den Veränderungen des Klimas anzupassen, wird jede Menge Hirnschmalz, finanzielle Ressourcen und technischen Fortschritt brauchen. Religiöse und pseudoreligiöse Interventionen aller Schattierungen werden dabei mit Gewissheit nicht hilfreich sein
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