Die britischen Konservativen haben nach dem Desaster bei den letzten Parlamentswahlen ihren bisherigen indischstämmigen Parteichef entsorgt und durch eine schwarzhäutige Frau mit nigerianischen Wurzeln ersetzt. Das ist heute ein Vorgang, der als völlig normal und überhaupt nicht kontroversiell wahrgenommen wird, und das ist gut so. Eine wirkliche Provokation wäre gewesen, hätten die Konservativen einen „alten weißen Mann“ gewählt. Aber so sehr gegen die Regeln der politischen Korrektheit kann man heute ja doch nicht verstoßen, zu groß wäre der Skandal.

„Gegen den linken Unsinn“

Doch das Interessante an Kemi Badenoch, der neuen Chef-Konservativen der Briten, ist weder ihr Geschlecht noch ihre Hautfarbe, sondern ihre politische Grundhaltung. „Ich bin jemand, der möchte, dass die Farbe unserer Haut nicht wichtiger ist als die Farbe unserer Haare oder die Farbe unserer Augen“, erklärte sie und machte gleichzeitig klar, wofür sie wirklich steht: für klassische konservative Werte ohne Wenn und Aber, für eine deutlich sichtbare Positionierung rechts der Mitte, wenn man denn in diesen Kategorien denken will, und nicht zuletzt für eine klare Absage an einen Zeitgeist, der von Gendern, Klimahysterie und frei wählbaren Geschlechtern charakterisiert wird.

Frau Badenoch hat deshalb auch keine Probleme damit, gelegentlich durchaus anzuecken: „Ich werde immer gegen linken Unsinn kämpfen“, donnerte sie unlängst bei einer Parteiversammlung im Stil der legendären Margaret Thatcher. Sie nimmt sich die Freiheit festzustellen, dass „nicht alle Kulturen gleichwertig sind“, und spricht aus, was sich nicht jeder zu sagen traut: „Wir beschweren uns schnell über Rassismus, Sexismus und Homophobie, aber es ist nicht so schlimm, wie die Leute denken. Wenn wir kohärenter sein wollen, müssen wir bei kleinen Vorfällen gelassener sein und keine Beleidigungen finden, wo es keine gibt.“

Die Nigeria-Connection

Ich finde, dass sie damit auf der emotionalen Ebene adressiert, wonach in Großbritannien genauso viel Bedarf bestehen dürfte wie in Österreich: Nach einem neuen Konservativismus, der wirtschaftspolitisch auf mehr Marktwirtschaft und weniger Staat setzt. Und der das klar kommuniziert: „Als ich in Nigeria aufwuchs, sah ich echte Armut, ich habe sie erlebt, einschließlich des Lebens ohne Strom und der Erledigung meiner Hausaufgaben bei Kerzenlicht, weil die staatliche Elektrizitätsbehörde keinen Strom liefern konnte, und dem Holen von Wasser in schweren, rostigen Eimern aus einem eine Meile entfernten Bohrloch, weil der verstaatlichte Wasserversorger kein Wasser aus den Wasserhähnen bekommen konnte.“

Es braucht einen Neuen Konservativismus, der gleichzeitig gesellschaftspolitisch eine Art Konterrevolution ausruft gegen all den Unsinn, mit dem uns Linke, Grüne und der damit lose verbundene mediale Apparat in den letzten Jahren und Jahrzehnten behelligt haben, Stichwort „woke“. Dass eine derartige Politik mehrheitsfähig sein kann, hat ja nicht zuletzt auch der Triumph Donald Trumps bei den Wahlen in den USA gezeigt.

Das schwarze Loch

Auch Österreichs bürgerlichem Lager täte eine völlige Neupositionierung nach dem britischen Vorbild mit hoher Wahrscheinlichkeit gut, denn das Bedürfnis sehr vieler Wähler nach einer derartigen Programmatik, aber auch politischer Emotionalität, ist mit Händen zu spüren.

Leider befriedigt die ÖVP unter dem biederen Administrator Karl Nehammer dieses politische Bedürfnis nur ungefähr so wie das Horoskop der „Krone“ die Sehnsucht der Menschen, in die Zukunft zu blicken. Das ist nichts.

Als wäre er auch noch bemüht, die weitgehende ideologische Entkernung seiner Partei öffentlich möglichst gut sichtbar zu machen, hat Nehammer nun tatsächlich Koalitionsgespräche mit Andreas Babler begonnen, ein Vorgang, der jeden Bürgerlichen mit einem leidlich funktionierenden Wertekompass verhöhnt und der dessen Stimme schlicht und einfach veruntreut.

Es ist dies eine Art von bis zur Unkenntlichkeit weichgespültem Pseudo-Konservativismus, der sich mit freiem Auge kaum noch von jenem puren Opportunismus unterscheiden lässt, mit dem die angeblich bürgerliche CDU-Bundeskanzlerin Deutschland so lange in einen Abgrund der Beliebigkeit geführt hatte – und ihre Partei gleich mit.

Die Kettensäge wirkt

Es mag ein Zufall der Geschichte sein, aber es ist ein aufschlussreicher Zufall, dass auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans von Tag zu Tag klarer sichtbar wird, wie der argentinische Präsident Javier Milei die kaputte Wirtschaft seines Landes mit radikal marktliberalen Methoden wieder fit macht, die Inflation dramatisch zurückgeht, die Wirtschaft wächst und die Einkommen mit ihr.

Auch wenn Großbritannien, Argentinien und Österreich natürlich nur bedingt vergleichbar sind, wird hier ein Muster sichtbar, wie moderner Konservativismus aussehen könnte, der zukunftsfit und attraktiv ist: viel marktradikaler, als heute auch nur denkbar ist, viel kantiger und klarer, wenn es gilt, „linken Unsinn“ als das zu benennen, was er nunmal ist, und viel wehrhafter gegen den noch immer dominierenden, auch in den eigenen Reihen übrigens, „woken“ Zeitgeist.

Hoffen auf Karoline E.?

In der ÖVP hat übrigens ab und zu Karoline Edtstadler den Eindruck erweckt, so zu ticken. Zwar hat sie sich nun in die zweite Reihe der Politik zurückgezogen, aber angesichts ihres jugendlichen Alters könnte das ja auch bloß ein Rückzug auf einen besseren Startplatz sein.

Großbritanniens Konservative haben aus ihrer Niederlage gelernt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Die ÖVP hingegen erweckt stark den Eindruck, die alte Erkenntnis zu bestätigen, wonach die Geschichte zwar lehrt, aber ihr leider niemand zuhört.