Christian Ortner: Und was, wenn die FPÖ da recht hatte?
Zuzugestehen, dass die FPÖ in der Frage der Zuwanderung (leider) richtig lag, stünde gerade deren politischen Gegnern und Mitbewerbern gut zu Gesicht, findet eXXpress-Kolumnist Christian Ortner – denn nur das ermöglichte eine längst notwendige politische Wende in der Migrationspolitik.
Wenn nächstes Jahr in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt wird, dann erscheint aus heutiger Sicht und allen nur erdenklichen Umfragen entsprechend ein Sieg der FPÖ nahezu unausweichlich, zu groß ist ihr Vorsprung vor den Mitbewerbern SPÖ und ÖVP.
Mehr noch: Die widerwärtigen Hass-Kundgebungen der letzten Wochen in Deutschland und Österreich dürften der FPÖ (und der AfD in Deutschland) noch einen kräftigen Schub verleihen.
Blaue Kanzlerin?
Das heißt nicht zwingend, dass Herbert Kickl der nächste Bundeskanzler wird. Agiert die FPÖ schlau, wird sie nicht Kickl, sondern irgendjemanden anderen aus ihrer Führungsriege, etwa eine jüngere Frau aus dem Westen, für das Amt des Kanzlers nominieren. Das würde es nicht zuletzt dem Herrn Bundespräsidenten sehr schwer machen, nicht den Usancen folgend die bei den Wahlen obsiegende Partei mit der Regierungsbildung zu betrauen.
Man muss kein Parteigänger der FPÖ sein, sondern braucht nur halbwegs realistisch denken, um zu meinen: Es läuft ganz hervorragend für die FPÖ, was alle anderen Parteien nicht wirklich von sich behaupten können.
Warum aber ist das so? Herbert Kickl ist ja nicht eben als unwiderstehlicher Sympathieträger bekannt, und in ihrer Programmatik kommt die FPÖ jetzt auch nicht mit unwiderstehlichen Ideen daher, da herrscht eher Hausmannskost vor, wie sie in anderen Küchen auch geboten wird.
Sie hatten, leider, recht
Gewinnt die FPÖ 2024 die Wahlen haushoch, dürfte das an einem einzigen, ganz wesentlichen Faktor liegen: Die FPÖ hat in der Frage der Migrationspolitik im Großen und Ganzen recht gehabt, wenn sie der Massenzuwanderung aus der arabisch/islamischen Welt ablehnend gegenübergestanden ist. Mag sein, dass ihre Argumente im Detail fragwürdig oder wenig praktikabel waren, aber in der großen Linie ist die Partei diesbezüglich seit den Tagen Jörg Haiders damit richtig gelegen – und die anderen falsch.
Für jemanden wie mich, der der FPÖ immer und aus guten Gründen sehr skeptisch gegenübergestanden ist, ist es nicht sehr vergnüglich, das so festzuhalten, doch die Wirklichkeit verschwindet ja bekanntlich nicht, wenn man sie ignoriert. Das hat sich noch nie bewährt; schon gar nicht in der Politik.
Auch wenn das in dieser Verknappung natürlich stark vereinfacht ist – aber für zahllose Wählerinnen und Wähler, die jetzt erleben müssen, was für eine Katastrophe die Türen-auf-Migrationspolitik der letzten Jahre in Wahrheit darstellt, ist die FPÖ heute die einzige Partei, die glaubwürdig behaupten kann, sich als einzige immer gegen diese Politik gestemmt zu haben.
Nötiger Neustart
Ich halte es für einen schweren politischen Fehler sowohl der ÖVP als auch der SPÖ, von den Grünen ganz zu schweigen, das nicht einfach sportlich einzugestehen und sich damit die Möglichkeit zu eröffnen, einen völligen Neustart in ihrer jeweiligen Migrationspolitik zu eröffnen, so nach dem Motto: »Niemand kann mich daran hindern, klüger zu werden.«
Klar, Fehler einzugestehen und gleichzeitig damit einem Mitbewerber recht geben, ist weder angenehm noch lustig. Dafür kommt es freilich sehr sympathisch rüber und macht möglich, was vorher unmöglich war, eben die komplette Wende.
Das gilt umso mehr, als es ja durchaus historische Vorbilder gibt, an die Parteien anknüpfen könnten. Vor allem in Deutschland, wo man diesbezüglich etwas klarer denkt als hierzulande. »Wir müssen eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden«, sagte etwa der ehemalige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt. »Die Zuwanderung von Menschen aus dem Osten Anatoliens oder aus Schwarzafrika löst das Problem nicht, schaffte nur ein zusätzliches dickes Problem … Sieben Millionen Ausländer in Deutschland sind eine fehlerhafte Entwicklung, für die die Politik verantwortlich ist.« Und diejenigen, die sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren wollten oder könnten, »hätte man besser draußen gelassen«.
»Deutschland schafft sich ab«, hatte 2010 in seinem gleichnamigen Buch der SPD-Intellektuelle Thilo Sarrazin behauptet – und zum Dank gab es nicht etwa höchste Partei-Ehren, sondern ein Ausschlussverfahren und die übliche Nazi-Keule übergebraten.
Sogar schon in den 1980er Jahren hatte schließlich CDU-Kanzler Helmut Kohl in einem vertraulichen Papier gefordert, fünfzig Prozent aller in Deutschland lebenden Türken außer Landes zu schaffen, denn »es sei unmöglich für Deutschland, die Türken in ihrer gegenwärtigen Zahl zu assimilieren«. 2016 fügte er, schon längst nicht mehr politisch aktiv angesichts der damaligen Völkerwanderung, lapidar hinzu: »Europa kann nicht zur neuen Heimat für Millionen Menschen weltweit in Not werden.«
Es ist die Tragödie der heutigen Sozialdemokraten als auch der Christdemokraten, aus diesen doch relativ naheliegenden Überlegungen ihrer politischen Väter und Großväter nicht und nicht die für heute noch viel richtigeren Schlüsse zu ziehen. Solange aber dies nicht geschieht, wird die FPÖ auch nicht zu schlagen sein.
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