Christian Ortner: Wenn Deutsche die Welt retten, wird es gefährlich
Deutschlands verrückte Energiepolitik schadet nicht nur den Deutschen, sondern stürzt mittlerweile auch seine Nachbarn in heftige und teure Probleme. Dass nicht schon längst das Licht ausgegangen ist, verdanken wir all jenen europäischen Nationen wie Frankreich, die nicht daran denken, den deutschen Unsinn nachzumachen, findet Exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Wer, sei es als Unternehmer oder auch als Privatmensch, mit seinem Stromversorger einen Vertrag abgeschlossen hat, der keinen fixen Preis für eine bestimmte Zeit vorsieht, sondern den jeweiligen Marktpreis bezahlt, dürfte in den Wochen vor Weihnachten einen stark erhöhten Bedarf an beruhigenden Psychopharmaka oder erheblichen Mengen Alkohols verspürt haben.
Denn an einzelnen Tagen explodierte in Österreich – genauso wie in Deutschland – der Strompreis in furchterregende Höhen, wenn auch nur für einige Stunden, bevor er sich wieder leidlich normalisierte.
Die Ursache der extremen Strompreisexplosion ist einfach erklärt: In Deutschland stellten witterungsbedingt im Zuge einer sogenannten »Dunkelflaute« sowohl die Windräder als auch die Solaranlagen kurzfristig die Stromproduktion ein, wodurch eine gewaltige Angebotslücke entstand. Worauf das passierte, was immer passiert, wenn Angebot und Nachfrage nicht im Lot sind – die Preise eskalierten blitzartig nach oben.
Atomstrom statt Blackout
Dass Europa von einer gigantischen Katastrophe in Form eines Blackouts verschont geblieben ist, verdanken wir einzig und allein dem Umstand, dass vor allem Frankreich sich seit Jahrzehnten erfolgreich dagegen wehrt, die verrückte deutsche Energiewende auch nur ansatzweise mitzumachen und einen erheblichen Teil seines Strombedarfs aus über fünfzig Atomkraftwerken bezieht. Das ermöglichte es Deutschland, kurzfristig erhebliche Mengen von Atomstrom aus Frankreich zu importieren und damit den fehlenden Strom aus Sonne und Wind zu ersetzen – wenn auch zu hohen Kosten.
Wäre es nicht so ernst, wäre es eigentlich zum Lachen: Dass den Deutschen – und in der Folge wohl auch uns – ein Blackout erspart geblieben ist, verdanken sie – und wir – dem Umstand, dass die Franzosen nicht dieselbe verrückte Energiepolitik wie die deutschen Nachbarn betrieben haben.
Denn hätte Paris ähnlich wie Berlin auf einen Atomausstieg gesetzt und damit auf Wind und Sonne, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand jenen Strom erzeugen können, der Deutschland während der »Dunkelflaute« rettete. Heißt: Game over, Blackout. Mit unabsehbaren Folgen, wie sie der gleichnamige Roman und dessen Verfilmung drastisch vor Augen führen.
Ein Vorbild, das keines ist
Ziemlich zynisch erscheint im Licht dieser doch eher dramatischen Ereignisse, dass die deutschen politischen Eliten die vermeintliche Notwendigkeit der Energiewende nach wie vor nicht zuletzt damit erklären, eine »Vorbildfunktion« für den Rest der Welt auszuüben, um das Weltklima zu retten. Am deutschen Wesen soll, wieder einmal, die Welt genesen.
Spätestens seit dem kurzfristigen Kollaps der Stromproduktion bei unserem Nachbarn wissen wir, was für ein Segen es ist, dass sich die meisten europäischen Staaten den deutschen Irrweg eben genau nicht zum Vorbild genommen haben.
Wenn Politik unmoralisch wird
Dem großen Philosophen Immanuel Kant verdanken wir die wahrscheinlich beste Regel für das gedeihliche Zusammenleben von Menschen: »Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« Dieser sogenannte »Kategorische Imperativ« hilft uns sehr präzise, moralisches von unmoralischem Verhalten zu unterscheiden.
Gemessen daran ist die deutsche Energiewende glatt unmoralisch, denn würden ihre Methoden – Atomausstieg, Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas – in der EU »allgemeines Gesetz« werden, würden wir vermutlich in finsteren Wohnungen frieren müssen, wenn Wind und Sonne nicht liefern.
Wenig vorbildlich erscheint auch die bisherige ökologische und ökonomische Bilanz dieser Energiewende. Rund 500 Milliarden Euro wurden bisher aufgewendet, mit dem Ergebnis, dass die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ihrer eigenen Industrie kurzfristig nicht mehr ausreichend Strom zur Verfügung stellen kann – und den vorhandenen Strom um ein Vielfaches schmutziger als die Franzosen erzeugen muss, weil alte Kohlemeiler wieder hochgefahren werden müssen. Eine erfolgreiche Politik habe ich mir eigentlich anders vorgestellt.
"Ich bin sauer"
Nun könnte man es den Deutschen getrost überlassen, ihre einst so stolze Industrienation systematisch zu ruinieren, kämen dabei nicht auch ihre Nachbarn zum teuren Handkuss. Denn wenn Deutschland plötzlich gewaltige Mengen an Strom von seinen Nachbarn zukauft, steigen natürlich auch dort die Preise.
Besonders getroffen hat das vor Weihnachten Schweden, was die dortige Energieministerin Ebba Busch auf die Palme brachte: »Es ist schwierig für eine industrielle Wirtschaft, sich für ihren Wohlstand auf das Wohlwollen der Wettergötter zu verlassen«, ätzte sie Richtung Berlin. »Schwedens Regierung unterstützt erneuerbare Energien, aber kein politischer Wille ist stark genug, um die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen – nicht einmal der von Herrn Habeck. Ich bin sauer, weil Deutschland die vorzeitige Stilllegung von Kernkraftwerken fortgesetzt hat«, fügte sie hinzu.
Der Ärger der Ministerin ist nachvollziehbar. Dass Schweden oder andere Nachbarn Deutschlands, wenn auch nur für kürzere Zeit, deutlich mehr für Strom zahlen müssen und damit unfreiwillig die Torheiten der deutschen Energiepolitik finanzieren, ist politisch kaum vermittelbar.
Kein Quantum Trost
Leider deutet derzeit nichts darauf hin, dass Deutschland das gescheiterte Projekt der Energiewende endlich ad acta legt, sollte die CDU im Februar die Wahlen gewinnen und deren Chef Friedrich Merz Kanzler werden. Der hat nämlich eine Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken ausgeschlossen – aber dafür den grünen Vizekanzler Robert Habeck, einen der Hauptverantwortlichen der Energiewende, für regierungstauglich befunden. Das gibt wenig Anlass zu Optimismus.
P. S.: Ich darf Ihnen ein frohes Fest und einige erholsame Feiertage wünschen.
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