Daniela Holzinger: Kommt Kurz zurück?
Ex-Kanzler Kurz verlässt die Politik und mit ihm tragende Pfeiler des türkisen Systems. Warum dieser Rückzug aber kein endgültiger sein muss und was das für die neue alte Volkspartei bedeuten könnte, erklärt eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger.
Kurz mal weg – ein Systemwandel.
Sebastian Kurz hat unserer Republik den Stempel aufgedrückt – keine Frage. Genauso schnell er aber kam, verschwand das politische Ausnahmetalent letztlich wieder. Nicht freiwillig versteht sich.
Man könnte es ein türkises Strohfeuer nennen, oder eben etwas freundlicher, eine „Leuchtrakete“ wie sich Kurz‘ Parteikollege und mutmaßlicher Architekt der Schwarzen Konterrevolution, Landeshauptmann Schützenhöfer, ausdrückte.
Denn mit dem Ex-Kanzler verließ nicht nur eine einzelne Person die Spitzenpolitik, vielmehr wurde ein ganzes Netzwerk an Kurz-Vertrauten abgesetzt.
Ein Machtzirkel, dessen Stärke und Basis einzig und allein in der Phalanx um ihr Zentrum, rund um Sebastian Kurz selbst, bestand. Ohne ihn waren sie chancenlos, parteiintern auf verlorenem Posten, ihr Aufstieg und Fall untrennbar mit Kurz verbunden.
Schallenberg, Blümel, Fassmann, Arnolder, Melchior – für sie alle endete damit ein Weg, der vor so kurzer Zeit „erst begonnen hatte“ – wenn man den Sujets des 2019er Wahlkampfs Glauben schenkt. Vorerst, zumindest.
Schlagzahl erhöht.
Denn wenn uns Sebastian Kurz eines gezeigt hat, dann, dass die innenpolitischen Uhren heute anders gehen – mit deutlich erhöhter Schlagzahl: Allein in den letzten vier Jahren fanden zwei Nationalratswahlen statt, wurden sechs BundeskanzlerInnen angelobt, einer davon – auch wieder so ein Novum – per Misstrauensvotum abgesetzt.
Österreich sah seine erste ExpertInnenregierung, geführt von der ersten Frau im Kanzleramt, ja und auch der Herr Präsident muss für sein Salär heute deutlich härter schuften. Angelobungen am Fließband, auch sie sind Teil der neuen „Stabilität“.
All das und noch einiges mehr – denken wir nur an diverse Skandale und dazugehörige U-Ausschüsse – in nur vier Jahren!
Es mutet da fast grotesk an, dass der Gesetzgeber erst 2007, die Dauer EINER Legislaturperiode auf fünf Jahre ausgedehnt hat.
Wie gewonnen so zerronnen.
Daher scheint fraglich, ob Sebastian Kurz heute seine Einschätzung vom April wiederholen und uns „Coole Zeiten“ prophezeien würde? Für unser Land, das erneut im Lockdown und der bislang schwersten Corona-Welle feststeckt, eher nicht und auch für die neue, alte Volkspartei scheint die Zukunft wenig rosig.
Nach Jahren türkiser Feierlaune, überwiegt im Team von Neo-Parteichef und Kanzler Karl Nehammer der Kater und die Einsicht, wieder genau dort zu stehen, wo sie einst begann, die türkise Revolution – auf Platz Zwei mit rd. 24%.
Rückkehr nicht ausgeschlossen.
Doch was für seine Partei stimmt, muss auf Kurz selbst nicht zutreffen. Er ist jung, gut vernetzt und kann offensichtlich noch immer auf die Loyalität seines engsten Kreises vertrauen. Anders ließe es sich nicht erklären, dass die mit ihm und ohne Not Zurückgetretenen auf Ämter und fünfstellige Monatsgagen verzichten – einfach so.
Ein Comeback-Szenario des Freundeskreises scheint aus heutiger Sicht also nicht ausgeschlossen. Vorausgesetzt natürlich, die nunmehr in alter Herrlichkeit regierenden schwarzen Landesfürsten scheitern beim Versuch ihre Volkspartei zu konsolidieren und wieder auf den Siegespfad zu führen. Sieht man sich die Erfolgsbilanz der vielen Köche in den Jahren vor 2017 an, scheint die Luft nach oben aber durchaus gegeben zu sein.
Entscheidender als die Entwicklung seiner Partei, wird für Kurz jedoch der Gang laufender Ermittlungsverfahren sein. Als Ex-Politiker schmerzt eine zunehmend wahrscheinliche Anklageerhebung nicht wirklich. Er ist aus dem Spiel, kein innenpolitischer Faktor mehr.
Wichtig ist einzig und allein die Frage, ob es letztlich zu einer Verurteilung kommt.
Bleibt diese aus, ist jedenfalls mit Kurz‘ Rückkehr zu rechnen – sehr wahrscheinlich aber auf eigene Faust.
Denn jene Partei erneut aufzubauen, die ihn und sein Team fallen ließ, als es erstmals eng für Kurz wurde, das wird sich wohl nicht mehr ausgehen. „Le Parti populaire en Marche!“ oder so 😉
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
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