Daniela Holzinger: Sommergespräch - warum Kogler alles „gescheit“ machen will
Seit der Renovierung des Hohen Hauses ist vieles neu. Manches aber auch beim Alten geblieben. Bestes Beispiel: Vizekanzler, Vielredner Werner Kogler. Wer mit ihm parliert braucht Nerven aus Stahl.
Ahhh… Sommer, Sonne, Sonnenschein. Endlich hinaus an die frische Luft, an lauen Abenden noch lange am Pool oder beim Heurigen sitzen. Das Leben genießen. Die kalten, nassen, finsteren Monate kommen eh schneller zurück als uns allen lieb ist.
Dementsprechend war es beim ORF lange Tradition, das Setting der Jahreszeit anzupassen.
Legendär: 1981 geht Peter Rabl (ORF) mit FPÖ-Chef Norbert Steger wortwörtlich „baden“. Die beiden stehen im Pool, während sich das Team für den besten Winkel in der Hitze biegt und windet.
Auch in den mehr als 40 Jahren danach blieben die Sommergespräche sommerlich. Dem Klima entsprechend unter Palmen, im Gastgarten, dem Penthouse oder „am Berg“. Bis jetzt.
Ich weiß nicht, ob‘s am vorgeblichen Sparkurs des Staatsfunks liegt, oder doch am Versuch diesmal eher das „Koalitionsklima“ einzufangen.
Mit der Entscheidung, ein locker leichtes Gespräch ins Hinterzimmer der Hinterzimmer – einem fensterlosen, dunklen, engen, von der Außenwelt isolierten Raum – zu verlegen, gelang zumindest genau das. Ob gewollt oder nicht.
Begriffsphilosophisches Sprachseminar
Für den Hauptdarsteller kein Problem. Als Langzeitabgeordneter ist Vizekanzler Werner Kogler dieses dunkle Kammerl alles andere als fremd. Fast melancholisch schwärmt der gealterte Grüne über jugendlichen Sturm und Drang im politischen Hinterzimmer. Bankenrettung genauso wie die Bankenabgabe, der U-Ausschuss als Minderheitenrecht und vieles mehr seien darin verhandelt und „sogar weitergebracht“ worden.
Ohne Publikum ist es trotz aller politischer Gegensätze eben leichter, zusammen zu kommen – das hat Kogler gelernt. Vielleicht ja von Ex-Parteichefin Glawischnig.
Diesmal aber ist die Kamera dabei, zeichnet auf wie gnadenlos hemdsärmelig der Vizekanzler die Fragen einer sehr sympathischen Susanne Schnabl umschifft. Nach fast vier Jahrzehnten Politik ist Sprache für Kogler mehr als nur Mittel zum Zweck. Zur Kunstform hochstilisiert wird abgelenkt, verdreht, verzaubert, erklärt und so lange wild herumgewirbelt, bis dem Zuhörer ganz grün vor Augen – zumindest aber die eigentliche Frage vergessen – wird
Beispielsweise wenn er erklärt, Niederösterreichs Landesmutti eh nicht „präfaschistoid“ genannt zu haben, sondern nur das was sie sagte, obwohl sie es ja nicht so gemeint habe – was Kogler auch wisse. Er sei da halt etwas sensibel, würde an das Italien der 1920er Jahre denken, wo genau das Eine zu genau dem Anderen geführt habe – wenngleich sowas bei uns mit Sicherheit nicht der Fall sei.
Man solle sich nur klar darüber sein – worüber man nicht rede und abgesehen davon sei diese „Normal-Abnormal“-Debatte ja nicht mehr ganz normal. Sowieso gelte es vorsichtig zu sein, wenn eine Obrigkeit hergeht und erklärt, was man sagen darf und was nicht und vor allem wie man etwas überhaupt noch sagen dürfe. Schließlich sei das hier ja kein begriffsphilosophisches Sprachseminar. Sagt er, der Grüne.
Wehe dem Wucher!
Ähnlich klar bei handfesten Maßnahmen gegen Zinswucher und Lebensmittelpreise. Themen, die dem Grünen-Chef sichtlich am Herzen liegen.
Wenngleich er großes Verständnis dafür habe, dass es Menschen gibt, die sich über 0% Guthaben- und ausufernde Kreditzinsen ärgern, während Banken hohe Gewinne schreiben, warnt Kogler davor sie zum Feindbild zu machen.
Das dürfe man sich nur bei den bösen Lebensmittel-„Konzernen“ erlauben, deren Raffgier ursächlich dafür sei, dass die Regierung momentan nicht daran denke Mehrwertsteuern auf Grundnahrungsmittel zu senken. Würden sie ja alles einstreifen, die bösen, bösen Konzerne.
Also lieber mal nichts tun, genau analysieren und „gescheit“ agieren.
So wie bei der kalten Progression, also ihrer fast-Abschaffung. Laut Kogler hätten es nämlich die Grünen durchgesetzt, etwa 1/3 (rd. 2 Mrd.) der kalten Progression beizubehalten. Der Staat könne damit „zielgerichtet“ arbeiten – wie er sagt. Und was er nicht sagt: Die Leute würden‘s eh nur verplempern.
Klimaschutz als Chance
Auch das Thema Klimaschutz durfte natürlich nicht fehlen: Ganz wichtig dabei: Die grassierende Flächenversiegelung bekämpfen und damit den Traum vom Einfamilienhaus für Hunderttausende kollektiv auszuträumen. Zumindest für jene, die sich Preis- und Zins-Explosion nicht mehr leisten können.
Wer jetzt aufmerksam mitgelesen hat merkt, wie Tun und Nicht-Tun der kleinen Regierungsfraktion plötzlich ineinandergreifen.
Aus Sicht der Grünen sei Klimaschutz deshalb vor allem eine riesen Chance.
Ob Kogler nach der kommenden Wahl in Pension gehen werde oder doch ein letztes Mal als Abgeordneter ins Hohe-Haus zurückkehrt, wollte der Vizekanzler nicht beantworten.
Nur, dass er nicht mehr länger als ein halbes Jahr vorausplane. Zukunft von heute auf morgen sozusagen.
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