Wer fürchtet sich vor direkter Demokratie? Alle!
„Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“ heißt es in Artikel 1 der Bundesverfassung. Wow, super! Doch wenn man sich überlegt, welche Hebel dem Souverän tatsächlich zur Verfügung stehen, um direkten Einfluss auf die Gesetzgebung auszuüben, wird der markige Satz schnell als Papiertiger entlarvt.
Beteiligungsinstrumente mit Biss, also Volksbefragung und Volksabstimmung stehen unter der Fuchtel des Parlaments – müssen daher (in der Regel) von einer Mehrheit der Abgeordneten in vorauseilender Selbstentmündigung eingeleitet werden. Und weil diese Hürde im österreichischen Normalfall nur unter Mitwirkung der Regierungsparteien übersprungen werden kann, kommt das so gut wie nie vor.
Einmal alle 76 Jahre
Lediglich zweimal durften die Österreicherinnen und Österreicher bisher selbst entscheiden. 1978 die Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie (AKW Zwentendorf) und 1994 jene des EU-Beitritts. Wobei letztere Abstimmung aufgrund der einhergehenden Verfassungsänderung verpflichtend anzusetzen war.
So gesehen gab es in 76 Jahren Zweite Republik lediglich eine Frage, deren Entscheidung die Volksvertretung (freiwillig!) an ihren Souverän delegierte und offensichtlich durfte diese Erfahrung nicht wirklich Lust auf mehr gemacht haben.
Denn, anstatt die Angelegenheit in die Hände der Bevölkerung zu legen, möglichst sachlich zu informieren und demütig das Ergebnis abzuwarten, versuchten die damals alleinregierenden Sozialdemokraten sich per Volksentscheid innenpolitisch freizuspielen. Frei von der Kritik einer wachsenden Anti-Atomkraftbewegung und auch von den Angriffen der politischen Mitbewerber.
Letztlich eine Fehlkalkulation die mit 50,5% Gegenstimmen zur ersten großen Niederlage des Sonnenkönigs und seiner SP wurde. Vermeintlich. In Wahrheit aber scheint es, als hätte sich die Bevölkerung von der Sachfrage „Atompolitik“ nicht in ihrer sonstigen politischen Haltung beeinflussen lassen. Anders wäre es kaum zu erklären, warum es der „geschlagenen“ SP schon im darauffolgenden Jahr gelang, abermals als Wahlsieger vom Platz zu gehen und sogar die „Absolute“ nochmals auszubauen.
Keine Angst!
Alles in allem also eigentlich gar kein so abschreckendes Beispiel. Vielmehr reicht schon dieser eine Fall aus, um so manche Einwände gegen ein Mehr an direkter Demokratie ad absurdum zu führen.
Denn ja, die Menschen sind in der Lage vernünftige, selbstständige Entscheidungen zu treffen – das tun sie jeden Tag, sonst gäb‘s dieses Land schon längst nicht mehr.
Und nein, keine Partei muss sich vor einem Volksentscheid fürchten – vielmehr ist es als Ausdruck politischer Reife zu werten, wichtige Richtungsentscheidungen zu delegieren, und zwar an jene die es betrifft. Die Bevölkerung.
Reformmüdigkeit in Dauerschleife
Weil eine Aufwertung der direkten Demokratie aber automatisch als Machtverlust von Regierung und Parteien wahrgenommen wird, lässt sich eine gewisse Reformmüdigkeit in Dauerschleife konstatieren.
2013 kam das von Polit-Pensionisten Voggenhuber, Busek und Frischenschlager initiierte Volksbegehren „Demokratie Jetzt“ nicht wirklich vom Fleck. Mündete aber dennoch im zunächst vielversprechenden Rot-Schwarzen „Demokratiepaket“.
Als Kernprojekt sollten da erfolgreiche Volksbegehren in eine verpflichtende Volksbefragung münden, wenn eine bestimmte Zahl an Unterschriften erreicht würde und wenn, ja wenn man das Ganze nicht unter tatkräftiger Mithilfe von Bundespräsidenten a.D. Heinz Fischer – ein prononcierter Gegner direkter Demokratie – dann doch zu Tode begutachtet und abgewürgt hätte.
Einen weiteren, eher kuriosen Anlauf lieferten 2017 dann die Türkis-Blauen Regierungsverhandler. Ihnen gelang das Kunststück zwischen den Forderungen von FPÖ (150.000 Unterschriften zur Einleitung einer Volksabstimmung) und ÖVP (640.000 Unterschriften) erfolgreich zu vermitteln und die Hürde im Wege eines klassischen Kompromisses auf – WIE BITTE!? – 900.000 Unterschriften hochzuschrauben. Noch dazu wenig sportlich erst mit Zieldatum 2022 und letztlich, wie wir wissen, außer Reichweiter der Ibiza-Koalition.
Ja und jetzt, dasselbe in Grün? Leider Fehlanzeige. Zu Zeiten grüner Klimahysterie scheint es ausreichend zu sein, von „den Richtigen“ diktiert – pardon – regiert zu werden. Einen Plan zum Ausbau direkt-demokratischer Mitbestimmung sucht man im Türkis-Grünen Pakt daher vergeblich. Womöglich war es ja sogar das, was die Klubobfrau der Öko-Partei Siegrid Maurer meinte, als sie die Grüne Handschrift des Regierungspaktes lobte. Und so Unrecht dürfte sie dabei nicht einmal haben, denn bei unseren Nachbarn in der Schweiz, also dort wo das Recht tatsächlich vom Volk ausgeht, da zeigt man Grünen Zwangs-Phantasien gerade ganz kräftig die rote Karte!
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
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