Eva Schütz: Druck auf Nehammer steigt
Die Koalitionsverhandlungen kommen in die heiße Phase. Glaubt man den Erzählungen der Verhandler, steht alles auf Spitz und Knopf. Die Chancen auf einen positiven Abschluss werden zunehmend schlechter eingeschätzt. Sollte nicht bald weißer Rauch aufsteigen, könnte es besonders für Karl Nehammer ungemütlich werden.
Die Anspannung in den Parteizentralen und im Parlament ist spürbar gestiegen. Seit einem Monat wird bereits an einer Dreierkoalition verhandelt, doch die Stimmung verbessert sich nicht. Obwohl von vertrauensvollen Gesprächen die Rede ist, sind die Verhandlungen löchrig wie ein Schweizer Käse. Kein Tag vergeht ohne Leaks aus den Koalitionsgesprächen. Vor allem im Hintergrund wird eifrig telefoniert, und man erzählt, wer wo was fordert oder blockiert. Dem Schwarzen Peter dürfte mittlerweile bereits schwindelig und übel sein – so oft wird er seit Beginn der Verhandlungen im Dreieck hin- und hergeschoben. Beobachter und Verhandler werden zunehmend skeptischer, ob eine Einigung überhaupt noch möglich ist.
Besonders Karl Nehammer gerät immer stärker unter Druck. Bringt er dem Bundespräsidenten keine Mehrheit, ist er mit den Gesprächen gescheitert. Für die ÖVP und Nehammer selbst steht viel auf dem Spiel. In den Verhandlungen mit der linken SPÖ und den wirtschaftsliberalen NEOS muss der ÖVP-Chef Erfolge erzielen, die seiner Partei zugutekommen. Als Anführer einer möglichen Dreierkoalition wird Nehammer daran gemessen, wie viele seiner Positionen umgesetzt werden können – und wie viele er am Altar seines eigenen Machterhalts, dem Kanzleramt, opfern muss.
Breites Themenspektrum
Das Themenspektrum ist breit. Der Wahlverlierer der Nationalratswahl muss liefern, um Basis, Bünde und vor allem die Länder zufriedenzustellen. Letztlich geht es auch darum, ob Nehammer seine Wahlversprechen einlösen kann: keine neuen Steuern, Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten, fünf Jahre Wartefrist bei Sozialleistungen, Eindämmung der illegalen Migration, strengere Regelungen zur Staatsbürgerschaft, ein Verbotsgesetz gegen politischen Islam, weniger Schulden und mehr.
„Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“
Kann der Kanzler nur wenige seiner Forderungen umsetzen, wäre es aus Sicht der ÖVP besser, die Verhandlungen scheitern zu lassen. Denn jedes Aufweichen oder gar Aufgeben zentraler Positionen würde der FPÖ in die Hände spielen und Herbert Kickl weiter stärken. Gleichzeitig würde Nehammer innerhalb der ÖVP selbst zur Diskussion stehen. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte 2019 schon Christian Lindner von der FDP bei den deutschen Koalitionsverhandlungen. Nehammer sollte sich diesen Satz in einer ruhigen Minute zu Herzen nehmen. Sonst wird es eng für ihn. Sehr eng.
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