Eva Schütz: Ist uns am heutigen Nationalfeiertag wirklich zum Feiern zumute?
Selten zuvor war dieser Tag so bedrückend und von Pessimismus geprägt. Es gibt einige Gründe dafür, und auch der Bundespräsident trägt eine Mitschuld.
Ein Staatshaushalt, der dringend saniert werden muss, ein Wirtschaftsausblick, der einen verzweifeln lässt, und ein Reformstau, der uns Jahre zurückwirft: Österreich zeigt sich am diesjährigen Nationalfeiertag weniger von der optimistischen als vielmehr von der depressiven Seite. Daran ändert auch die Leistungsschau des Bundesheeres, des Innenministeriums und anderer staatlicher Einrichtungen am Wiener Heldenplatz nichts.
Die Negativschlagzeilen überschlagen sich von Woche zu Woche. Silberstreifen am Horizont? Fehlanzeige! Es scheint, als würde Österreich in einer Abwärtsspirale gefangen sein.
Neben den düsteren wirtschaftlichen Aussichten tragen auch die Politik, die Parteien und die Staatsspitze dazu bei, dass sich die Lage nicht verbessert – im Gegenteil.
Die am Freitag gestarteten Sondierungsgespräche zwischen ÖVP und SPÖ stehen auf wackligen Beinen und haben bereits vor Beginn durch die Ausgrenzung des Wahlsiegers FPÖ einen erheblichen Flurschaden durch die gesamte Republik angerichtet. Hört man in ÖVP und SPÖ hinein, wird die Lage nicht besser. Das Klima ist von Misstrauen geprägt, und die unterschiedlichen Ansichten und Positionen lassen erahnen, dass das mögliche Koalitionsabkommen kein großer Wurf wird.
Deutlicher Wunsch nach Veränderung in der Bevölkerung
Dass uns am heutigen Nationalfeiertag das Lachen vergeht, hat auch der Bundespräsident zum Teil mitzuverantworten. In einem beispiellosen Schritt ignorierte Alexander Van der Bellen diese Woche einen ungeschriebenen Grundkonsens in Österreich. Mit seiner Entscheidung, den Wahlsieger Herbert Kickl und die FPÖ nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen, zog das Staatsoberhaupt den Unmut vieler Österreicher auf sich – weit über das Wählerklientel der FPÖ hinaus. Die Österreicher haben ein gutes Gespür und merken, dass in der politischen Landschaft zwischen Hofburg, Kanzleramt und Löwelstraße ein eigenes Süppchen gekocht wird. Dabei handelt es sich keineswegs um ein neues Rezept, sondern um eine altbekannte Mischung, mit den stets gleichen Zutaten, die mehrfach neu aufgewärmt wurde und letztlich immer von uns Österreichern ausgelöffelt werden musste.
Es mag stimmen, dass 71 Prozent der Wähler die FPÖ nicht gewählt haben, aber ebenso stimmt, dass die Wahl am 29. September ein deutlicher Wunsch der Bevölkerung für Veränderung war. Dass nun der Zweitplatzierte – trotz herber Stimmenverluste – mit dem Drittplatzierten (schlechtestes Wahlergebnis in der Parteigeschichte) verhandelt und vermutlich gezwungen ist, einen dritten Partner ins Boot zu holen, ist das Ergebnis eines doch recht eigenartigen Vorgehens des Herrn Bundespräsidenten. Ein Regierungsbildungsauftrag für Herbert Kickl wäre weder eine Schande, noch ein Schaden gewesen. Es wäre Ausdruck des Wählerwillens und der Hofburg-Gepflogenheiten gewesen. Kickl hätte dann zumindest die Chance bekommen, bei richtigen Gesprächen eine Mehrheit zu finden. Ob er gescheitert wäre oder es geschafft hätte, bleibt durch die Entscheidung des Bundespräsidenten unbeantwortet. Genau das ärgert viele Menschen im Land.
Wenn Alexander Van der Bellen heute Abend seine traditionelle TV-Ansprache zum Nationalfeiertag hält, werden die Menschen genau hinhören. Jeder Satz sollte wohlüberlegt sein und dem Amt eines überparteilichen Bundespräsidenten gerecht werden. Bekanntlich sagte er ja, dass er ein Präsident für alle sein möchte. Wer aber für alle da sein will, sollte auch den Willen des Volkes respektieren! Andernfalls ist er nur der Bundespräsident einiger bestimmter Gruppen.
Trotz allem: einen schönen Nationalfeiertag!
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