Viele Beobachter und Bürger fühlen sich an das Gezänk der großen Koalition erinnert, als unter Rot und Schwarz beinahe täglich gestritten wurde und die rechte Hand oft nicht wusste, was die linke tat. Der politische Stillstand von damals ist noch in lebhafter Erinnerung. Und genau das scheint sich nun zu wiederholen.

Die negativen Nachrichten aus Wirtschaft und Industrie überschlagen sich seit Wochen nahezu täglich. Eine tiefe Depression legt sich wie ein Schatten über unser Land – ausgerechnet zur besinnlichsten Zeit des Jahres. Wenn in wenigen Wochen die Familien zum Weihnachtsfest zusammenkommen, wird die Festtagsstimmung in vielen Haushalten getrübt sein, und der Blick ins neue Jahr 2025 dürfte wenig optimistisch ausfallen.

Gleichzeitig laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS auf Hochtouren – zumindest offiziell. Doch nach nur zwei Wochen scheint bereits so viel Sand im Getriebe zu sein, dass die Gespräche praktisch zum Erliegen gekommen sind. Die Positionen der Verhandlungspartner liegen zu weit auseinander, und obwohl ständig Besserung gelobt wird – Stichwort „kein Weiter wie bisher“ – geht genau das bisherige Spiel weiter.

Statt hinter verschlossenen Türen hart zu verhandeln, werden die Gespräche in der Öffentlichkeit ausgetragen. Fast täglich schicken sich die Verhandler gegenseitig Botschaften aus, was möglich ist, was nicht, und wer welche Forderung in den „vertraulichen“ Gesprächen gestellt hat. Das ist kaum ein Zeichen von Vertrauen – und genau dieses Vertrauen wäre in der aktuellen Lage dringend nötig.

Die immer wiederkehrenden Diskussionen über neue Steuern oder die Rücknahme von Steuersenkungen sind Gift für das Gemüt der Bürger und Unternehmen. Dieser Dreierkoalition fehlt es bislang an einer klaren Vision und Erzählung, wie sie das Land aus der Krise in eine erfolgreiche Zukunft führen will. Stattdessen erhalten wir nur Erzählungen über den zähen Verlauf der Verhandlungen. So wird das nichts.

Eine Mitschuld an dieser Situation trägt auch ein anderer Akteur: Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er muss sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht eine Mitverantwortung für die gegenwärtige Stimmung im Land und das öffentlich zur Schau gestellte Gezerre von Schwarz-Rot-Pink trägt. Es hätte durchaus Alternativen gegeben …

Unterdessen kann sich die FPÖ entspannt zurücklehnen. Als Wahlsieger der Nationalratswahl und vom Bundespräsidenten de facto ausgeschlossener potenzieller Koalitionspartner kann sie die Entwicklung fußfrei aus der ersten Reihe mitverfolgen. Ohne eigenes Zutun steigen die Zustimmungswerte der FPÖ weiter an.

Die Zeit drängt, und viel davon bleibt nicht mehr. Wenn ÖVP, SPÖ und NEOS nicht miteinander können – oder wollen –, dann sollten sie es der Bevölkerung offen sagen. Wenn sie hingegen das Gegenteil beweisen möchten, müssen sie dringend mit dem gegenseitigen Ausrichten von Forderungen, Positionen und „No-Gos“ aufhören und endlich ernsthaft verhandeln.

Doch wer die österreichische Politik kennt, wird wohl mit einem Schrecken ohne Ende rechnen. Diesmal aber wäre ein Ende mit Schrecken besser – für das Land, die Unternehmen und die Wirtschaft.