Die Sehnsucht der linken Blase ist erneut geplatzt wie eine Seifenblase. Was wurde gestern nicht alles getwittert und prophezeit: Kamala Harris wird diese Wahl gewinnen – so mehr oder weniger der einhellige Tenor. Ihr Sieg galt schon als sicher, noch bevor im beschaulichen Dixville Notch das erste US-Wahllokal öffnete und die ersten sechs Stimmen ausgezählt waren. Zwölf Stunden später erwacht Twitter in einem Jammertal. Eine tiefe Depression hat sich breitgemacht.

Was ist in der Nacht passiert? Sind schon wieder die Wähler schuld? Ist es das ungerechte US-Wahlsystem, das immer dann als gerecht gilt, wenn ein Demokrat gewinnt?

Fünf Lehren aus dieser Wahl könnten mögliche Antworten geben:

Twitter und eine linke Blase sind keine verlässlichen Parameter für die Vorhersage von Wahlausgängen. Noch so viele Tweets können die Meinung einer Millionenbevölkerung nicht aufwiegen.

Themen können immer noch wahlentscheidend sein. Harris fehlte es an einem Programm gegen die angeschlagene Wirtschaft, die steigende Migration und Kriminalität sowie Antworten auf die hohe Inflation. Nur gegen Trump zu sein, reichte nicht aus.

Auch in den USA hat längst das Misstrauen gegenüber dem Mainstream die Oberhand gewonnen. Linke Diktionen aus den Medien werden für die Wähler immer durchschaubarer – natürlich befeuert durch die Rhetorik eines Donald Trump, das steht außer Streit. Allerdings sollte man nun nicht den Fehler machen, die rund 70 Millionen Trump-Wähler als minderbemittelte Amerikaner abzustempeln.

Noch so große Stars wie Taylor Swift, Bruce Springsteen oder Leonardo DiCaprio können keine Präsidentin machen. Die Zeiten, in denen Glanz und Glamour als Wahlempfehlung funktionierten, sind längst vorbei. Ganz im Gegenteil – bei den unteren und mittleren Schichten Amerikas verstärken solche Aufrufe den Eindruck von „Die da oben“. So konnte sich plötzlich der Milliardär Trump als Kämpfer für den kleinen Amerikaner positionieren.

Die bisherige Annahme, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen als sichere Stimmenbringer für die Demokraten gelten, wurde in dieser Nacht widerlegt. Trumps Sieg zieht sich mehr oder weniger durch alle Gruppen und Schichten der amerikanischen Bevölkerung. Ganze Wahlbezirke wurden auf den Kopf gestellt und umgefärbt.

Kurioses Detail

Kurioses Detail am Rande: Die linke Blase arbeitet sich weiter an Trump ab – ausgerechnet auf jener Plattform, die dem größten Trump-Unterstützer Elon Musk gehört.

Die Wahl war nicht „falsch“, wie auch 2020 nicht. Die Wahlnacht ist ein starkes Zeichen der Demokratie, ein Ausdruck des Volkswillens. So sollte man das Ergebnis einordnen und auch zur Kenntnis nehmen. Ob es in Zukunft das richtige Rezept ist, ganze Wählerschaften zwischen gut und böse, richtig und falsch einzuordnen, sollte überdacht werden. So oder so – Twitter wird weiter glühen, und Musk wird’s freuen.