
Rudolf Öller: Freie Radikale
An den Dauer-Katastrophen von Pandemie, Inflation, Krieg und Bürokratie drohen junge Menschen zu verzweifeln. Jetzt braucht es mehr freie Radikale: freiheitsliebende Zeitgenossen und MINT-Menschen. Ihr Sieg über die Ideologen ist entscheidend für eine positive Wendung, findet eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller.
Die Meldungen häufen sich, wonach junge Menschen in Europa allmählich verzweifeln angesichts der Inflation, des Kriegs in der Ukraine, des schaurigen Niveaus mancher Politiker, der langsamen und alles erdrückenden Bürokratie, der zu hohen Steuern und anderer Misslichkeiten. Katastrophen hat es immer schon gegeben. Das griechischen Wort katá bedeutet nach unten, stréphein heißt wenden. Eine Katastrophe ist eine Wendung nach unten, aber noch nie war eine Katastrophe trotz aller Opfer, trotz aller Trauer, trotz aller Verluste eine endgültige. Danach ging es immer wieder aufwärts.
Wer von uns stolzen weißen Cis-Frauen und Männern sagt das unserer Jugend, die nach Corona und Krieg den Mut zu verlieren scheint? Vielleicht ist es hilfreich, ihnen zu erklären, dass nach der Wendung nach unten tatkräftige Facharbeiter, freie Radikale, aber keine Gesellschaftserklärer benötigt werden.
Freie Radikale sind freiheitsliebende Zeitgenossen und MINT-Menschen, also das Gegenteil von Ideologen und Genderisten. So genannte MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) umweht leider immer noch eine mystische Aura. Österreicher sind skeptisch, wenn es um Naturwissenschaften geht. Unser Land schneidet bei den Umfragen zur Einschätzung von Wissenschaft und Technologie im internationalen Vergleich traditionell schlecht ab. Im Rahmen der Eurobarometer-Umfragen, ob naturwissenschaftliche Grundlagenforschung von der Regierung unterstützt werden sollte, belegte Österreich regelmäßig die hinteren Plätze.
Stillstand
Naturwissenschaftler und Techniker werden seit Jahrhunderten von Dogmatikern, Esoterikern und Ideologen kritisiert oder zu unterdrücken versucht. Besonders deutlich zeigt das die Geschichte des Islam. Die Araber und Babylonier waren bis zum Mittelalter MINT-Länder. Dann kam der Islam mit seinen Dogmatikern. Als Columbus in der Karibik an Land ging, als Leonardo da Vinci seine naturwissenschaftlichen Studien betrieb, als die europäische Renaissance die Wissenschaften und Künste voranzutreiben begann, erlahmte in den arabischen Ländern das Streben nach Wissen. Es kam schließlich zum Stillstand, als moslemische Theologen das Studium der Religion und des islamischen Rechts zum einzigen wahren Weg erklärten. Als Europa zum großen Sprung nach vorne ansetzte, erlebte der Islam einen Rückfall.
Das Verhältnis der Kirche zu den Wissenschaften wird gerne auf die Fälle Roger Bacon (Gefängnis), Giordano Bruno (Scheiterhaufen) und Galileo Galilei (Hausarrest) reduziert, aber das waren Missgriffe der Inquisition und ihrer – großteils anonymen – Denunzianten, die heute mehr denn je ihr Unwesen treiben. Der Theologe Thomas von Aquin hatte bereits im Hochmittelalter zwischen diesseitigem und jenseitigem Wissen unterschieden und den weltlichen Wissenschaften seinen Segen gegeben. Das war der Startschuss zum Aufstieg Europas zu einer globalen wissenschaftlichen und kulturellen Supermacht. Europa mit seinen genialen weißen Cis-Frauen und -Männern wurde der erste Kontinent der freien Radikalen.
Maßnahmen gegen freie radikale Denker waren langfristig vergeblich. Astronomen wurden eingesperrt (Galilei), Chemiker von einem Revolutionsmob geköpft (Antoine de Lavoisier), Biologen von Ignoranten angefeindet (Charles Darwin) und Kommunisten ließen missliebige Wissenschaftler im Gefängnis verhungern (Nikolai Wawilow). Die freien Radikalen ließen sich trotz allem nicht aufhalten.
Radikale Ideologen
Es wurde auch in Europa mehrmals vergeblich versucht, Naturwissenschaften in ein schiefes Licht zu rücken. Der Großkapitalist Friedrich Engels, der mit seinem Geld seinen Freund Karl Marx unterstützte, versuchte in seinem wenig beachteten Werk „Dialektik der Natur“ physikalische Gesetze durch eine banale Metaphysik zu ersetzen. Engels „entlarvte“ die Wissenschaften und raunte eine „bourgeoise“ Physik herbei, nicht ahnend, dass alle Ideologien immer zu verenden pflegen – nicht ohne Anrichtung größerer Schäden.
Unruhestifter und Betrüger
MINT-Menschen, Techniker und mit ihnen viele (nicht alle) Kunstschaffende, zählen zu den emanzipierten Menschen. In dem Labor, in dem ich seinerzeit arbeitete, nannten wir das Markieren und gezielte Rekombinieren von Chromosomen „Rock ‘n Roll“. Niemand mischte sich ein, schon gar nicht Ideologen. Freie Radikale ließen sich nie von ideologielastigen „Denkern“ auf eine Linie zwingen, vor allem, weil Ideologen in der Regel Betrüger sind, die gar nicht wissen wie sich Freiheit in der Wissenschaft anfühlt. Freie Radikale haben sich am Ende immer durchgesetzt. Andernfalls gäbe es keine Quantenphysik, keine Biochemie, keine Chirurgie und keine Weltraumteleskope.
Es existieren nach wie vor freie Radikale, aber es gibt zu wenige. Wir benötigen mehr engagierte freie Radikale aber auch Facharbeiter, die sich abwegigen Trends offen entgegenstellen, wie etwa dem Genderismus und anderen Pseudowissenschaften samt ihren sprachlichen Entleerungen. Noch peinlicher als Vertreter von Pseudowissenschaften sind nur Politiker, die uns weismachen wollen, dass es Korruption nur rechts der politischen Mitte gibt, in der Folge inquisitorische Untersuchungsausschüsse betreiben, dabei unfreiwillig ein unterirdisches Niveau zeigen und in kindlicher Weise darauf sogar stolz sind.
Starke und verlässliche Renegaten werden dringend benötigt, denn Europa wurde fast zu Tode gemerkelt. In einer Welt eingeschränkter Meinungsfreiheit muss der Typus des frechen Ketzers, des stolzen Facharbeiters und des freien Radikalen neu zum Leben erweckt werden. Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir schaffen das.
Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.
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Kommentare
Nicht nur Technik und Medizin, nein auch Aufklärung und Rationalismus sowie der Zusammenbruch des religiösen Weltbilds und die damit einhergehende Ablösung der religiösen Legitimation von Herrschaft durch Demokratie, beruhen auf der Naturwissenschaft. Das alles bricht jetzt zusammen. Der Angriff auf Naturwissenschaft und Medizin ersetzt Rationalität durch Aberglauben und bewirkt zusammen mit Hysterien ein Ende der Zivilisation. Im späten Mittelalter wurde die Astronomie aus religiösen Gründen gefälscht. Im Faschismus und im Stalinismus wurden gefälschte anthropologische “Erkenntnisse” verbreitet. Inzwischen unterliegen Naturwissenschaft und Medizin den Fälschungen. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass 0,4 Promille eines Spurengases, das gar keine Wärme produziert, einen irreversiblen Klimawandel verursachen könnten, der in eine Heißzeit mündet, in der kein Leben möglich ist, ganz zu schweigen von 1,8 Millionstel eines anderen Spurengases. Ich meine CO2 und Methan. Medizin und Biowissenschaften sind Lügenwissenschaften schlechthin. (s. Wikipedia) Aber dass man Menschen, die keine Impfung benötigen, auf alle mögliche Weisen dazu verleiten oder zwingen kann, sich impfen zu lassen, und das mit einer Impfung, bei der nur negative Effekte belegt sind, während Schutzwirkungen umstritten sind, das gab es noch nie. Der Niedergang von naturwissenschaftlichem Interesse zeigt sich nicht nur in Bildungsplänen. Wenn man die Entwicklung von Naturwissenschaft, Technik und Medizin von 1920 bis 1970 mit den darauf folgenden fünfzig Jahren vergleicht, versteht man, dass jüngere Leute rückwärts blickend nicht glauben können, dass zwischen 1969 und 1972 sechsmal Menschen auf dem Mond waren.
Auch wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass “0,4 Promille eines Spurengases, das gar keine Wärme produziert, einen irreversiblen Klimawandel verursachen könnten”, so ist die Wirkung der Treibhausgase in der seriösen Wissenschaft längst geklärt.
Was nicht gefällt einfach als Lügenwissenschaft zu bezeichnen, ist eine Tendenz, die mir Sorge bereitet. Unangenehme Erkenntnisse werden so einfach als Ideologie gebrandmarkt. Die Masse macht politisch Druck und verhindert so zb die international vereinbarten wirksamen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe. Das kommt uns sehr, sehr teuer.
Wo sollen die freien Radikalen, MINT-Studenten und Facharbeiter herkommen? Wenn 30% die Schule verlassen ohne sinnerfassendes Lesen und Grundrechenarten zu beherrschen; wenn Schüler zum Schulschwänzen an Freitagen ermutigt werden; wenn Handwerksbetriebe händeringend nach Personal suchen, weil die wenigen Bewerber nicht einmal die allernötigsten Anforderungen erfüllen; und wenn Kinder bei der Frage nach ihrem Wunschberuf sagen: “Ich geh’ AMS”.
@ antibasti, so sehe ich das nicht, ich finde, wir alle, die wollen und sich hier austauschen, sind FREIE RADIKALE, wir werden ja auch als solche geboren, manche entwickeln sich weiter und manche bleiben in der Entwicklung weit zurück, ich fühle mich als FREIE RADIKALE, auch wenn ich keinen Doktor Titel habe, meine Gedanken und mein Empfinden ist genauso viel wert!!! Wir alle sind FREIE RADIKALE, weil wir für etwas einstehen und eigene Meinung haben, jeder auf seine Art👍🏻 und je mehr wir werden, durch Diskussionen und Meinungsaustausch und Meinungsfreiheit, umso besser😃👍🏻und ich will das auch bleiben, ich will für mich entscheiden, was gut für mich ist, daher bin ich eine FREIE RADIKALE mit viel Herz❤️.
Natürlich , werte @Susa ! Ich gebe nur zu bedenken, dass wir Freie Radikale in 10-15 Jahren aufgrund demografischer Entwicklung und Folgen des Compact for Migration 2018 KEINE Möglichkeit haben werden, uns frei auszutauschen !! Und wenn , dann in welcher Sprache ? Über welche Kultur ? Haben Frauen dann überhaupt noch das Recht zu diskutieren ?? All das wurde bereits im UN-Bericht 2001 “Replacement Migration” so gefordert , dass unser Europa quasi geflutet wird , es werde „eine gewisse Sogwirkung auslösen“ und die „Migration aus den armen Staaten in die wohlhabenden Staaten deutlich verstärken“, „aus Afrika vor allem. (…) Wir werden neue Migrationswellen kriegen.“
Habe ich mich nun etwas klarer ausgedrückt !?? 🙂 🙂
Großartig geschrieben. Danke
Jawohl, freie Radikale braucht das Land – und nicht vom Steuerzahler subventionierte Gender-, Inklusions- und Migrationsforscherinnen.
Wer anders denkt als in Mainstream Medien vorgegebenen wird, wird sofort niedergemacht. Im exxpress wird harter Diskurs zugelassen und das ist nur mehr selten.
Kommt alles zu spät, man hat Merkel angebetet wie eine Heilige und nichts gegenteiliges unternommen!
Merkel als promovierte Physikerin, zählt ja auch zu den MINT Menschen.
Ein Lichtblick Ihre Kolumne, Herr Öller.
nun im großen und ganzen gut gemeint. aber was sind Cis frauen ? gottsei dank wurde wenigstens der begriff MINT erklärt. solange an den universitäten mehr studenten gesellschaftliche studien belegen um dann sofort in irgendwelche gemeinnützige, staatliche oder lokale jobs zu flüchten anstelle von technischen ökonomischen oder industriellen ausbildungen wird es keine verbesserungen geben. vor allem denken sie ja sie haben das recht und wissen alles besser zu wissen.
“aber was sind Cis frauen ?”
Siehe Wikipedia: Cisgender
Tröstlich der österreichische Philosoph Paul Feyerabend: Ihr könnt machen was ihr wollt, ihr werdet den Fortschritt nicht aufhalten.
@ Dr. H.S.:
Ich dachte immer, Paul Feyerabend wäre mit seinem Anything-Goes-Ansatz einer der Wegbereiter des heutigen relaitivistischen Zeitgeistes gewesen. Können Sie mir bitte verraten, wann bzw. in welchem Werk oder bei welcher Gelegenheit er sich in dem Sinne geäußert hat, wie Sie ihn anführen? (Ehrliches Interesse, ich habe Feyerabend ja noch nie selber gelesen und kenne ihn nur in Zusammenhang mit Thomas Kuhn.)