Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hoffen weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit, auch unter einer neuen deutschen Bundesregierung. Merkel sprach sich am Samstag bei ihrem Abschiedsbesuch als Regierungschefin in Istanbul zudem für eine Fortsetzung des umstrittenen Flüchtlingsabkommens mit der EU aus. Es sei wichtig, dass die EU die Türkei weiter “bei der Bekämpfung der illegalen Migration” unterstütze, sagte Merkel, die das Abkommen vor rund fünf Jahren ausgehandelt hat.

Kritiker: EU hat sich von Türkei abhängig gemacht

Gemäß dem Flüchtlingspakt soll die Türkei gegen unerlaubte Migration in die EU vorgehen. Im Gegenzug übernimmt die EU für jeden zurückgeschickten Syrer einen syrischen Geflüchteten aus der Türkei und unterstützt das Land finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge. Die EU hat der Türkei weitere drei Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Nach Ansicht sämtlicher Beobachte hat sich Europa dadurch durch die Türkei erpressbar gemacht.

Angesprochen auf die Inhaftierung von deutschen Staatsbürgern in der Türkei pocht Erdogan (l.) auf die Unabhängigkeit der JustizAPA/AFP/Ozan KOSE

Erdogan würdigte die “Freundin” und “teure Kanzlerin” als erfahrene Politikerin, die immer einen “vernünftigen und lösungsorientierten Ansatz” gepflegt habe. Er hoffe, die gute Zusammenarbeit auch mit einer neuen Regierung fortführen zu können. Noch im Jahr 2017 hat Erdogan Merkel persönlich mit Nazi-Vergleichen attackiert. Unter anderem wegen der Inhaftierung von Deutschen, wie dem Journalisten Deniz Yücel, war das Verhältnis damals auf einem Tiefpunkt. Tatsächlich wird die Strafverfolgung von deutschen Staatsbürgern und türkischen Oppositionellen in der Türkei unvermindert fortgesetzt.

Deutsche Staatsbürger werden in der Türkei verfolgt

Erst am Dienstag wurde ein kurdischstämmiger Deutscher in der Türkei zu mehr als zwei Jahren Haft wegen Terrorpropaganda verurteilt. Der Kulturförderer Osman Kavala und der prominente Oppositionspolitiker Selahattin Demirtas sind seit Jahren inhaftiert, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deren Freilassung angeordnet hat.

Merkel erklärte, sie habe mit Erdogan über das Thema Inhaftierungen gesprochen und sagte: “Ich bin kritisch über Entwicklungen, die sich im Bereich der Menschenrechte ergeben haben und vielleicht auch im Bereich der individuellen Freiheiten.” Erdogan wiederum verwies auf die Unabhängigkeit der Justiz. Hocherfreut zeigte sich Merkel aber darüber, dass die Türkei das Pariser Klimabkommen ratifiziert hat. (APA/Red)