Die 77-jährige Südtiroler Alpinisten-Legende Reinhold Messner ist sauer: Ein junger Deutscher versucht, in seine Fußstapfen zu treten. Er will sogar noch mehr schaffen: Der erst 29-jährige deutsche Bergsteiger Jost Kobusch möchte den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest im Himalaya, ohne Sauerstoff und ohne Begleitung besteigen. Und nicht nur das: Die ausgesuchte Route gilt als besonders schwierig und wurde seit 30 Jahren nicht mehr bestiegen. Außerdem will Kobusch nicht auf die warme Jahreszeit warten – er möchte den Everest im Winter erklimmen.

"Kobusch ist Weltmeister der Ankündigung"

Das ist für Pionier Messner zu viel der Ankündigungen und Prahlereien. „Der Weltmeister der Ankündigungen ist Jost Kobusch“, sagte er im vergangenen Sommer gegenüber einem Fachmagazin. Der junge Mann habe einen starken Öffentlichkeitsdrang und sei ein alpinistisches Leichtgewicht. Messner bestieg 1978  als erster Mensch den Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff – allerdings in der Sommersaison und mit einem Kameraden.”Es ist halb so angsterfüllend, einen Berg zu zweit zu erklimmen, als alleine,” sagte er gegenüber dem Fachmagazin lacrux.  Zwei Jahre später erklomm er den höchsten Berg der Welt aber dann auch im Alleingang.

Messner und sein Bergkamerad und Peter Habeler 1978.Archiv DAV

Messner: "Sie haben keine Chance, so eine Mammutaufgabe zu bewältigen"

Kobusch begann seine erste Everest-Epedition bereits im Winter 2019/20 – damals schaffte er es bis auf 7400 Höhenmeter. Er bezifferte seine Erfolgschancen damals mit ein Prozent. Darauf konterte Messner entnervt: „Wenn ich nur eine Chance von einem Prozent habe, fliege ich erst gar nicht nach Nepal, sondern suche mein Glück auf einem kleineren Hügel irgendwo in der Umgebung meines Wohnorts.“

Außerdem missfällt Messner die starke Werbung und Positionierung in sozialen Medien. „Die kündigen dies und jenes vollmundig über die sozialen Medien an – haben aber gar nicht vor, ihre Expedition oder Erstbegehung zu Ende zu bringen. Noch schlimmer: Sie haben gar keine Chance, weil sie so eine Mammutaufgabe schlichtweg nicht bewältigen können. Das wissen aber ihre Instagram- und Facebook-Follower nicht.“ Kobusch befindet sich momentan wieder in einem Camp am Everest – wo genau, kann man sogar live mitverfolgen.

Neue Generation der Bergsteig-Influencer?

Der junge Außenseiter Kobusch, der im flachländischen Bielefeld aufgewachsen ist und „erst“ als Jugendlicher mit dem Bergsport begann, kontert auf Messners Vorwürfe forsch: “Wer sagt denn, was richtig und was falsch ist? Ein 77 Jahre alter Mann irgendwo im Südtirol?” Ihm gehe es darum, Grenzen auszutesten – das bewies Kobusch bereits in der Vergangenheit. So überlebte er einen Lawinenabgang im Basislager des Everests nur durch Glück – diesen hatte er zufällig auch mitgefilmt. Als ersten Achttausender suchte er sich gleich den tödlichsten aus – den Annapurna (8091). Er war ohne Sauerstoff und ohne Begleitung hinaufgegangen. 20 Meter vor dem Gipfel traf er auf einen israelischen Kollegen – und spielte eine Runde Schach mit ihm. Diese wohl höchste Schachpartie der Welt filmte er auf seinem Smartphone mit und baute damit sein Image als Draufgänger und Adrenalin-Junkie aus. In einem Interview sagte er: „Ich will meine Neugierde befriedigen, sehen, was möglich ist. Wie ein kleines Kind auf dem größten Spielplatz der Welt. Ich bin irgendwann süchtig danach geworden. Gleichzeitig brauche ich immer ein grosses Ziel, um mich zu stabilisieren.“

Kobusch will junge Menschen inspirieren

Mit seinen Erfolgen an der Weltspitze möchte er jungen Menschen eine Botschaft mitgeben. Gegenüber dem Magazin “Bergsteiger” sagte er zu seinem Motiv: “Wenn der Junge das geschafft hat, dann kannst du das auch schaffen. Vielleicht sind das andere Projekte in einem ganz anderen Rahmen: eigentlich absolut machbar, aber man hat einfach Angst, den ersten Schritt zu tun. Wenn du irgendwas möchtest, dann sollst du es auch versuchen und nicht immer nur vor dir herschieben. “