Ein neues Missbrauchsgutachten gegen den Benedikt XVI. belastet den emeritierten Papst. Demnach teilte ein Gutachten am Donnerstag mit, dass Benedikt als Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger in vier Fällen nichts gegen die Missbrauchsvorwürfe beschuldigter Kleriker unternommen habe. In einer Stellungnahme bestritt Benedikt selbst seine Verantwortung “strikt”, die Gutachter halten dies aber nicht für glaubwürdig.

In zwei der Fälle soll es sich um Kleriker gehandelt haben, denen mehrere begangene und auch von staatlichen Gerichten attestierte Missbrauchstaten vorgeworfen haben. Dennoch sind beide Priester in der Seelsorge tätig geblieben – kirchenrechtlich sei nichts unternommen worden. Ein Interesse an den Missbrauchsopfern sei bei Ratzinger “nicht erkennbar” gewesen.

Mittlerweile sind die Gutachter überzeugt, dass Ratzinger Kenntnis von der Vorgeschichte des Priesters Peter H. hatte. Der Priester sei als Pädophiler verurteilt worden und soll später im Erzbistum München weitere Missbrauchstaten begangen haben.

Ratzinger habe eine "anfängliche Abwehrhaltung" gezeigt

Rechtsanwalt Martin Pusch sagte, Ratzinger habe bei der Erstellung des Gutachtens zunächst eine “anfängliche Abwehrhaltung” gezeigt. Diese habe er aber später aufgegeben und ausführlich schriftlich Stellung genommen.

Das Gutachten wirft zudem auch dem amtierenden Erzbischof Reinhard Marx Untätigkeit vor. Es sei ungeachtet einer Vielzahl von Meldungen nur in “verhältnismäßig geringer Zahl” festzustellen, dass sich der Kardinal überhaupt unmittelbar mit Missbrauchsfällen befasst habe, sagte Pusch. Außerdem sei Marx in zwei Verdachtsfällen ein konkretes fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen.

Dem früheren Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, wurden 21 Fälle von Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch vorgeworfen. Wetter habe die Fälle zwar nicht bestritten, ein Fehlverhalten seinerseits aber schon, sagte Pusch.

Studie listet 497 Missbrauchsopfer

Die Studie zu sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising in Deutschland listet 497 Opfer auf. Überwiegend soll es sich dabei um männliche Kinder und Jugendliche im Zeitraum zwischen 1945 und 2019 handeln. Dies teilte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit. Dabei soll es 235 mutmaßliche Täter gegeben haben – darunter 173 Priester. Laut der Studie sei jedoch von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.