Das Geheimnis um einen der mysteriösesten Museums-Krimis Österreichs ist nach 23 Jahren endlich gelüftet – und wie sich herausstellte, handelte es sich beim Verschwinden der Briefe Egon Schieles aus dem Heeresgeschichtlichen Museum nicht um das Werk geschickter Langfinger, sondern um etwas völlig anderes: Offenbar wurden die Briefe – unglaublich, aber doch – tatsächlich “einfach nur verlegt”!

Jeder von uns kennt das wohl: Gerade hat man etwas noch in der Hand – Schlüssel, Handy, Brille – und im nächsten Moment ist es unauffindbar. Man sucht und sucht verzweifelt, aber was eben noch hier war, ist plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Man sieht x-Mal an der gleichen Stelle nach und dann – manchmal Minuten, manchmal Stunden oder Tage später, findet man es genau dort – oder eben an einem Ort, der so oder so direkt “vor der Nase” lag. Das passiert offenbar nicht nur “Otto Normalverbraucher”, sondern auch historischen Einrichtungen und renommierten Museen. Und manchmal dauert es ein paar Jahre oder Jahrzehnte, bis Verschwundenes wieder auftaucht. Genau das scheint im Falle der verschollenen Briefe im Heeresgeschichtlichen Museum der Fall gewesen zu sein: Die einzigartigen Schriftstücke tauchten nun nämlich nach 23 Jahren wieder auf – und wie sich herausstellte, waren sie nie weg, sondern einfach nur am falschen Ort verwahrt…

Ministerin Tanner und HGM-Direktor Ortner freuen sich über Fund der Briefe

“Ein freudiger historischer Augenblick für die Kunstwelt, während es international beängstigend um Krieg oder Frieden geht”, sinnierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit nachdenklicher Miene, als ihr Christian Ortner, der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums die als verschwunden gegoltenen Briefe samt Visitenkarte Egon Schieles präsentierte: Unschätzbar wertvolle Dokumente von historischem und kulturellem Wert, deren Verbleib über zwei Jahrzehnte ganz Österreich beschäftigte. Nun können der Militärhistoriker und die Ministerin die Briefe wieder in Händen halten, wie die “Krone” berichtet – mit Glaceehandschuhen selbstverständlich.

Digitalisierung deckte auf: Briefe waren nicht verschollen, nur verlegt

Die Briefe wurden zuletzt im Jahr 1998 im Rahmen einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit präsentiert, bevor sie spurlos verschwanden – niemand konnte sich erklären, wo sie hin verschwunden sind. Von einem Kunstkrimi war die Rede, und mit den Jahren wurde die Befürchtung immer größer, dass die wertvollen Schriftstücke auf ewig verschollen bleiben würden. Wer hätte gedacht, dass die Digitalisierung schließlich zu des Rätsels – überraschend einfacher – Lösung führen würde: Als Ministerin Tanner und Direktor Ortner die Digitalisierung wichtiger historische Exponate in Auftrag gaben, baten die beiden auch verstärkt darum, einmal mehr nach den Schiele-Briefen zu suchen. Und siehe da: Die Schiele-Briefe tauchten tatsächlich wieder auf! Die ganzen 23 Jahre lang lagen sie sicher verwahrt an einem Ort, an dem sie nun wirklich keiner vermutet hätte: Und zwar in einem großformatigen Plan aus dem 18. Jahrhundert, der die Herstellung von Kanonen in einer Stahlgießerei im steirischen Gusswerk beschreibt. Das war wohl offensichtlich ein Versehen…

Junger Schiele bat vor über 100 Jahren um Versetzung ins HGM

Egon Schieles Briefe zeigen die Korrespondenz des jungen Künstlers mit dem damaligen HGM-Direktor Wilhelm John und gelten darum als Kulturschätze. In diesen Schreiben bat Schiele, der bereits 1916 als Soldat in der Provianturkanzlei eines Kriegsgefangenenlagers bei Wieselburg (Niederösterreich) gedient hatte, um seine Versetzung ins k.u.k. Heeresmuseum. Dieser Wunsch wurde dem Künstler schließlich auch erfüllt – genauso wie der Wunsch nach dem Wiederauftauchen der Briefe.