Die neue Beobachtung könnte von der Bedeutung her sogar den, 2012 ebenfalls am Cern gelungenen Nachweis des Higgs-Teilchens, in den Schatten stellen. Es könnte zudem den endgültigen Bruch mit dem Standardmodell der Teilchenphysik bedeuten.
Gemäß diesem Modell gibt es in der Natur bisher vier elementare Grundkräfte.

Die vier Grundkräfte:

Die Gravitation, die für die großräumigen Strukturen im Universum verantwortlich ist und die schwächste Elementarkraft darstellt.

Die schwache Wechselwirkung, als nächst stärkere Elementarkraft, die beispielsweise bei Fusionsprozessen eine Rolle spielt.

Die elektromagnetische Wechselwirkung, die für die meisten uns bekannten Phänomene verantwortlich ist, wie Licht, Elektrizität, etc.

Die starke Wechselwirkung als mit Abstand stärkste Elementarkraft. Sie hält im Prinzip die Atome zusammen.

Das Standardmodell der Teilchenphysik, bestehend aus 12 Teilchen, drei der vier Naturkräfte und dem Higgs-Teilchen, beschreibt alle Phänomene des Mikrokosmos. Doch alles kann man damit bei weitem nicht erklären: Zum Beispiel nicht, woraus die immer noch rätselhafte dunkle Materie im Weltall besteht.

Bei der Kollision von nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Protonen entstehen am LHCb zuweilen die erwähnten B-Mesonen. Sie bestehen aus einem Quark und einem Antiquark, eines davon ein sogenanntes Bottom-Quark, erklärt am Dienstag die „Berner Zeitung“ sehr ausführlich. Die B-Mesonen zerfallen schnell wieder in andere Teilchen. Bei einer gewissen Art von Zerfall entstehen unter anderem zwei Elektronen oder zwei Myonen.
Da die B-Mesonen sehr schwer sind, besagt das Standardmodell der Teilchenphysik, dass genau gleich häufig zwei Elektronen oder zwei Myonen entstehen sollten. Denn abgesehen von der Masse verhalten sich Elektronen und Myonen nach dem Standardmodell identisch. Da sowohl das Elektron als auch das Myon sogenannte Leptonen sind, sprechen die Physiker wegen des identischen Verhaltens von einer „Leptonen-Universalität“.

Ein im Detektor LHCb gemessenes Ereignis. Gelegentlich entstehen B-Mesonen und zerfallen in Elektronen oder Myonen.Quelle: Cern

Das Forscherteam des LHCb hat nun die bisher deutlichste Abweichung von dieser Leptonen-Universalität nachgewiesen, und zwar ein Defizit an Myonen gegenüber Elektronen. Kann das Zufall sein? Hierfür spricht eine Wahrscheinlichkeit von aktuell weniger als 0,1 Prozent. Doch wissenschaftlich ist das noch längst nicht überzeugend genug. Für eine Entdeckung eines neuen physikalischen Phänomens muss diese Wahrscheinlichkeit kleiner sein als 0,00003 Prozent sein.

Eine durchaus mögliche Erklärung für die zerstörte Leptonen-Universalität wäre die Existenz sogenannter Leptoquarks. Diese stellen eine Verbindung her zwischen der Welt der Quarks und der Welt der Leptonen. Sie wären auch ein Anknüpfungspunkt für die Lösung kosmischer Rätsel. Denn laut einigen Theorien können Leptoquarks im Gegensatz zu den heute bekannten Teilchen mit den Kandidaten der dunklen Materie wechselwirken. Aber das ist Zukunftsmusik, berichtet der „Berner Zeitung“ weiter.

Der Large Hadron Collider LHC ist ein gigantischer ringförmiger Teilchenbeschleuniger mit 27 Kilometer Umfang, der sich in etwa 100 Meter Tiefe im Grenzgebiet der Schweiz und Frankreichs nahe Genf befindet. Physikerinnen und Physiker nutzen den LHC, um die Bausteine der Welt und ihre Wechselwirkungen zu untersuchen und unser bisheriges Wissen über die Welt tief im Inneren der Atome bis hin zu den unermesslichen Weiten des Universums revolutionieren.Foto: APA/AFP/VALENTIN FLAURAUD