1931 wurde das Wiener Praterstadion eröffnet, 1988 wurde die Dachkonstruktion umgebaut, 1993 wurde es in Ernst-Happel-Stadion umbenannt und der letzte größere Umbau erfolgte 2008 vor der Europameisterschaft. Jetzt will die Stadt Wien mehr: Im November 2023 stimmte der Gemeinderat für die Erhöhung der Attraktivität des Stadions als Veranstaltungsort. Zudem will man das europaweit erste energieautarke Stadion erschaffen. 101.644.800 Euro wurden dafür genehmigt. „Außerplanmäßige Auszahlung für eine Kapitaltransferzahlung an die Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft zur Erhöhung der Attraktivität des Ernst-Happel-Stadions als Veranstaltungsort“, hieß der entsprechende Beschluss.

Verwunderung über "sportliche Herangehensweise" der Stadt Wien

Soweit nicht ungewöhnlich. Die Wiener Ziviltechniker-Kammer weist in einem Artikel nun aber auf einige bemerkenswerte Umstände hin. Unter dem Titel „I wer‘ narrisch! – Oder: Wie man möglichst viel Steuergeld ausgibt“ fasst das Kammerpräsidium zusammen: „Am 8. Dezember 2023 wurde eine funktionale Total-unternehmerausschreibung für das 14.200 m2 große neue Stadiondach mit nicht näher detaillierten Angaben beispielsweise zum Tragwerk, zu den Brandschutzerfordernissen oder den Fundierungsmöglichkeiten ausgeschrieben“. Alleine dafür wird mit mit einem Auftragswert von 50 Millionen Euro gerechnet. Ein Auftrag, der in dieser Dimension in ganz Europa für Aufsehen sorgt. Da überrascht es dann doch, dass schon nach knapp fünf Wochen (zwei davon in den Weihnachtsferien) die ersten Angebote eingereicht sein sollten. Bereits nach weiteren elf Tagen seien diese geprüft und der Auftragnehmer gefunden, fasst die Kammer die „sportliche Herangehensweise der Stadt Wien“ zusammen.

Das Stadion steht unter DenkmalschutzAPA

Nacht-und-Neben-Aktion?

Seltsam erscheint auch, dass es eine Bedingung der Ausschreibung gewesen sei, das Stadion vor Ort vor Angebotslegung zu besichtigen. Der Artikel der Kammer will aus gut informierter Quelle aber wisse, dass die zur Terminvereinbarung angegebene Telefonnummer zwischen den Feiertagen allerdings gar nicht erreichbar war. Zumindest kurzfristig entschlossene Unternehmen hatten so gar keine Chance.

Das Ernst-Happel-Stadion steht unter Denkmalschutz. Und so fasst die Kammer zusammen: „Die Pflege und Weiterentwicklung des denkmalgeschützten Bestands als eine der wichtigsten Architektur- und Ingenieuraufgaben wird hier ohne Not in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erledigt“ – ein Schelm, der Böses denkt.“

Stellungnahme der Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft

Der eXXpress hat bei der Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft nachgefragt – die Stellungnahme hier:

Die Wiener Sportstätten haben bei der Ausschreibung die gesetzliche Frist nicht nur eingehalten, sondern um vier Tage überschritten. Die Totalnehmerleistung wurde gewählt, weil es sich um ein außergewöhnliches Projekt handelt, für das keine Blaupause existiert und bei dem die Einhaltung zeitlicher Fristen von großer Bedeutung ist. Abstimmungen und etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Projektpartnern wären dazu nicht dienlich. Das offene, EU-weite Ausschreibungsverfahren garantiert maximale Transparenz.
In dem Inserat/Schreiben der Architektenkammer sind einige Dinge nicht korrekt. Der Brandschutz wurde in der Ausschreibung natürlich berücksichtigt – genauso wie etwa die Belastung durch Wind, die Windkanaltests erfordert. Auch die Bemessung der Fundamente wurde bewusst konservativ gewählt, um auf der sicheren Seite zu sein. Die hohe Qualität der Ausschreibung wird durch einen Bescheid des Bundesdenkmalamts unterstrichen, das keine Einwände gegen das Projekt hat und es als „sinnvoll und notwendig“ beschreibt. In dem Bescheid wird festgehalten: „Das Projekt setzt in seiner nun gleichfalls kleinteiligen, zarten und filigranen Gestaltung die Formensprache der Zuschauerüberdachung fort — ist also, bildlich gesprochen, der in formalästhetischer Sicht ‚verlängerte Arm‘ der Ingenieurleistung von 1985/86.“ So viel zum Vorwurf, Aspekte des Denkmalschutzes würden nicht berücksichtigt. Die Erreichbarkeit der Wiener Sportstätten war auch über die Weihnachtsfeiertage gegeben. Alternativ zu einem Anruf konnten Interessenten jederzeit per Mail um einen Besichtigungstermin anfragen, was von mehreren Unternehmen in Anspruch genommen wurde.