Der Mikrobiologe Reinhard Würzner von der MedUni Innsbruck bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Impfpflicht. “Die Impfpflicht wurde inmitten der Delta-Welle beschlossen. Aus damaliger Sicht war das sinnvoll”, unterstreicht er gegenüber der Tiroler Tageszeitung. “Allerdings können wir jetzt optimistischer in die Zukunft schauen. Wir marschieren auf eine Art Herdenimmunität zu, mit Omikron als natürlichem Impfstoff. Da kann es natürlich sein, dass eine Impfpflicht nicht mehr so viel bringt.”

Omikron ist ein "Glücksfall"

Würzner sieht in der Omikron-Variante einen “Glücksfall” angesichts ihrer besonders raschen Verbreitung kombiniert mit einem milden Verlauf . Hier ist er offensichtlich eines Sinnes mit dem Wiener Infektiologen Christoph Wenisch, der Omikron schon im Dezember als “Weihnachtsgeschenk” bezeichnet hat. Nun sei eine gefährlichere Variante zwar noch möglich, doch werde diese immer unwahrscheinlicher, “denn ein Virus hat nichts davon, wenn es schnell tötet. Dann stirbt der Wirt, bevor er es weitergeben kann.” Im Übrigen werde es eine neue Mutation “schwerer haben. Selbst wenn eine hoch ansteckende und sehr bösartige Variante kommen sollte, sind wir besser geschützt.”

Würzners Prognose: “Vermutlich werden wir wieder einen Sommer haben, in dem auch das Virus Urlaub macht. Der Herbst wird voraussichtlich nicht mehr so dramatisch sein wie der letzte.”

Genesene und Geimpfte sollten gleichwertig gesehen werden

Weitere Corona-Lockerungen seien sinnvoll, weniger belastende Maßnahmen wie Maskentragen in sensiblen Bereichen sollten man aber beibehalten, sagt Würzner. Auch bei der Beurteilung des Genesenen-Status deutet der Arzt eine möglicherweise sinnvolle Änderung an: “Aus immunologischer Sicht sollte Infektion und Impfung grundsätzlich als gleichwertiges schutzstimulierendes Ereignis gesehen werden.” Zurzeit gilt der Grüne Pass bei Geboosterten 270 Tage, bei Omikron-Genesenen aber nur 180 Tage.

Gratis-Tests seien noch sinnvoll wegen der Situation der ältere Menschen.

Impfung verhinderte zigtausende tödliche Infektionen

Zu den Argumenten von Impfskeptikern, die sich vor möglichen Nebenwirkungen fürchten, sagt Reinhard Würzner: “Bei schweren Nebenwirkungen liegt die Quote bei etwa 1:100.000. Das wären in Österreich aktuell etwa 200 Menschen. Diese natürlich bedauerlichen Impfschäden muss man jenen zigtausenden Fällen gegenüberstellen, bei denen tödliche Infektionen durch Impfungen vermieden wurden.” Man solle aber unbedingt allen Fällen nachgehen: “Im Zweifelsfall bekommt die geschädigte Person Recht. Fachleute müssen beweisen, dass der gemeldete Schaden nicht von der Impfung kommt.”

Studien belegen: Omikron-Impfstoffe bieten kaum Zusatznutzen. Im Herbst könnte darüber hinaus eine andere Corona-Variante dominieren. Deshalb werden zurzeit Impfstoffe entwickelt, die “nicht rein auf Omikron hin konzipiert” sind, sagt Würzner. “Sie sind möglichst breit angelegt.”