Im Telefonat mit Erdogan hat Nehammer „Respekt gegenüber dem Gastland“ eingemahnt. „Das ist eine Frage des Anstandes und der Wertschätzung wechselseitig, und das habe ich auch gegenüber den Türken, die in Österreich leben, eingefordert. Und Erdogan hat ja da einen gewissen Einfluss“, erklärte der Bundeskanzler nach dem Moldau-Gipfel.

Erdogan wiederum habe ihn bei dem Gespräch zu einem möglichst baldigen Besuch in die Türkei eingeladen, berichtete Nehammer. Ein Termin solle nun fixiert werden. Österreich und die Türkei würden in Kürze hundert Jahre diplomatische Beziehungen feiern.

Nehammer traf Erdogan am 29. Juni 2022 in Madrid am Rande des NATO-Gipfels.APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

Nehammer: Patriotismus ist nicht dasselbe wie Nationalismus

Das Telefonat fand am Rande des Treffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldau statt. Erdogan war zwar zu dem Gipfeltreffen eingeladen, aber nicht angereist. Die Gelegenheit zu dem Gespräch habe sich nach Erdogans Wiederwahl ergeben, sagte Nehammer, „damit wir die Beziehungen Österreich-Türkei wieder neu aufbauen“. Seit dem Getreideabkommen für die Ukraine habe er mit Erdogan „eine sehr tragfähige Beziehung über die Kriegsmonate entwickelt“, unterstrich der Kanzler.

Der Anruf habe auch Gelegenheit geboten, „darauf hinzuweisen, dass wenn türkische Staatsbürger in Österreich auf den Straßen feiern, der Respekt gegenüber dem Gastgeberland nicht verloren gehen darf“. In dem Telefonat habe er sowohl sich selbst als auch Erdogan als „Patrioten“ bezeichnet, aber dies von Nationalismus und Hass gegenüber anderen abgegrenzt, sagte Nehammer. Erdogan habe diese Sprache positiv aufgenommen. Der türkische Präsident habe den Überschwang der Feiern mit seinem Wahlsieg erklärt. Ebenso habe er unterstrichen, dass es keine Probleme gebe, die man nicht aus dem Weg räumen könnte.

Beim Thema Migration habe Erdogan im Wahlkampf weniger damit gedroht, irreguläre Migranten nach Europa zu schicken, sagt Nehammer.APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

„Alle, die Wolfsgruß gezeigt haben, werden angezeigt“

Zu den Verstößen bei den Siegesfeiern in Wien-Favoriten – verbotener „Wolfsgruß“ und Blockade der Straße – erklärte Karl Nehammer: „Diejenigen, die gegen österreichische Gesetze verstoßen, müssen auch mit der Konsequenz des Rechtsstaates rechnen. Also, alle die den Wolfsgruß gezeigt haben und identifiziert werden, werden auch dementsprechend angezeigt und strafbehördlich verfolgt.“ Es gebe auch eine kontinuierliche Beobachtung der Szene durch das Innenministerium und den Verfassungsschutz. Man dürfe aber nicht von einzelnen Provokateuren und Rechtsbrechern auf die türkische Minderheit in Österreich schließen und alle über einen Kamm scheren.

Weitere Themen des Gesprächs sei die Rolle der Türkei als Sicherheitspartner bei der Migration gewesen. „Wir setzen weiter darauf, dass wir mit Erdogan auf Augenhöhe verhandeln.“ Erdogans politischer Gegner Kemal Kilicdaroglu habe im Wahlkampf mehr damit gedroht, irreguläre Migranten nach Europa zu schicken, als Erdogan, sagte Nehammer. Erdogan wolle darüber hinaus die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ausbauen. Ebenso gehe es ihm um die Zollunion mit der EU.