Die Situation für die ukrainische Armee bei Awdijiwka (32.400 Einwohner) nahe der ostukrainischen Großstadt Donezk ist hochbrisant: Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) meldet unter Berufung auf russische Militärblogger, dass die russischen Streitkräfte ihre Offensive zwar derzeit nach schweren Verlusten pausieren, aber dass Russland bereits neue Truppen zur ostukrainischen Industriestadt verlegt. Der ukrainische Generalstab teilte zuletzt mit, dass man an dem Frontabschied zueltzt bis zu 20 Angriffe täglich abgewehrt hat. Bei den Kämpfen soll Russland binnen 24 Stunden 900 Soldaten und 150 gepanzerte Fahrzeuge verloren haben.

Trotz dieser angespannten Lage und der tobenden Abwehrschlacht überrascht nun der ukrainische Präsident mit einem neuen Befehl in seiner abendlichen Video-Ansprache: “Wir benötigen die Hilfe von jedem, der kämpft. Die Ukraine muss jeden Tag Fortschritte erzielen. Wir müssen russischen Angriffe abwehren, die Besatzer töten und vorrücken. Einen Kilometer oder 500 Meter pro Tag. Mindestens. Wir müssen die Besatzer unter Druck setzen, um die ukrainischen Stellungen zu verbessern.” Das gebe dem Land neue Kraft, meint Selenskyj. “Und es motiviert die Welt, uns zu helfen.”

Auch die Ukraine hat hohe Verluste - die genauen Zahlen werden geheim gehalten.

Russland rekrutiert laut Geheimdienst zusätzlich 240.000 Soldaten pro Jahr

Selbst wenn ein Vorrücken an einem Frontabschnitt im Ausmaß von 500 Meter gelingen würde (ohne jede Rücksicht auf die Bedrohung der Flanken dieser Offensivkräfte), dann wäre diese Armeegruppe in diesem Tempo mehr als fünf Jahre unterwegs, bis das von Awdijiwka etwa 1000 Kilometer entfernte Moskau erreicht wäre.

Dazu kommt noch: Pro Monat würde die Regierung der Russischen Föderation 20.000 Soldaten für die Armee rekrutieren – das wären zusätzlich 240.000 neue Soldaten pro Jahr. “Russland mobilisiert heimlich 20.000 Soldaten pro Monat für seinen Krieg gegen die Ukraine mit verschiedenen Zwangsmitteln”, sagt Andrij Jusow vom ukrainischen Geheimdienst (GUR) in einem Interview mit Espreso.tv. Jusow bestätigt damit frühere Schätzungen des GUR.

Zu den “verschiedenen Wegen” gehören die Rekrutierung von Gefangenen, die Zwangsrekrutierung von Schuldnern und “unzuverlässigen Bevölkerungsgruppen”, erklärt Jusow laut n-tv. “Von Freiwilligen ist nicht die Rede”, stellt er klar. Gleichzeitig setze Russland die routinemäßige Einberufung fort und praktiziere in großem Umfang die “Zwangsunterzeichnung von Verträgen”, bei der ehemalige Soldaten unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung in Militärbüros vorgeladen werden, wenn sie sich weigern, einen Vertrag zu unterzeichnen, so Jusow.

Die aktuelle Situation an der Kontaktlinie im Osten der Ukraine.
Im mittleren Frontabschnitt setzen russische Truppen ihre Offensive fort.

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