Mit Verwunderung stellten nun schon mehrere Journalisten fest, dass nicht alle Chat-Texte, die von der Ermittlungsbehörde in ihrem Dossier gesammelt worden sind, veröffentlicht worden sind. Immer mehr stellte sich die Frage: Wer will in dieser brisanten Causa entscheiden, wer belastet oder aber geschützt wird?

Bisher unveröffentlichte Chats aus dem Justiz-Dossier

Dem eXXpress liegen nun aber sämtliche Chat-Nachrichten vor, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf dem Mobiltelefon des Ex-Generalsekretärs des Finanzministeriums Thomas Schmid gesichert und in dem Bericht über Erkenntnisse aus der Datenauswertung in Bezug auf das sogenannte “Beinschab Österreich Tool” unter /1633 gesammelt worden sind.

Kern & Mitterlehner würden für "Chaos" sorgen

Da die Echtheit und Ernsthaftigkeit der SMS- und WhatsApp-Nachrichten von Thomas Schmid auch bei jenen Texten nicht bezweifelt wird, in denen Ex-Kanzler Sebastian Kurz oder die Medienunternehmer Wolfgang und Helmuth Fellner direkt oder indirekt vorkommen, ist auch bei dem Chat über den ORF und der “Kronen Zeitung” nicht von einer Fälschung oder einem Scherz-SMS auszugehen.

So analysierte der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium am 26. Jänner 2017 um 12.14 Uhr für seinen Chef, den damaligen Finanzminister Hansjörg Schelling, den Stand der mutmaßlichen politischen Intrige, die Arbeit der aktuell amtierenden SPÖ/ÖVP-Bundesregierung mit der Hilfe von gewissen Medien schlecht zu machen. Eine Involvierung in diesen Chat-Verlauf vom jetzigen ÖVP-Chef Sebastian Kurz findet sich nicht.

Das SMS über Schmids "Bilanz" über ein "Hineintreiben der SPÖ in Neuwahlen"

Chaos "herbeigeredet", "Chaos" im Titel - nur ein Zufall?

“Aus meiner Sicht entwickelt sich die Situation sehr zum Vorteil der ÖVP”, schrieb Thomas Schmid am 26. Jänner 2017 im SMS über die offensichtlichen Planungen, eine Neuwahl-Stimmung herbeizuführen, die dann Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) schaden würde. Und Schmid erwähnte dabei große Player der Medienbranche: “Dichand bestätigte: SPÖ hat massiv Neuwahlen herbeigeredet. Ergebnis Aufmacher – Chaos in Regierung.”

Tatsächlich erschien in der “Krone” vom 24. Jänner 2017 eine große Negativ-Story über die rot-schwarze Koalition mit dem Titel “Regierung schlittert vollends ins Chaos”, der Übertitel: “Bald Neuwahlen?” Was natürlich auch ein Zufall sein könnte, den Thomas Schmid für sich als Erfolg verkaufen wollte.

Außerdem erwähnte Schmid in diesem Zusammenhang: “ORF – hatte Auftrag von Krise zu berichten.” Und: “Ergebnis: Kanzler wird beschädigt. Glaubwürdigkeit verloren.”

Dieses – bisher aus gewissen Gründen – unveröffentlichte SMS von Schmid über den ORF wirft gleich mehrere Fragen auf: Warum kann jemand aus dem Parteienumfeld dem gebührenfinanzierten Staats-TV einen “Auftrag” für eine gewisse politische Berichterstattung geben? Und wer nahm im Jänner 2017 derartige “Aufträge” entgegen – und setzte sie dann auch um?

Thomas Schmid schrieb auch über Christoph Dichand und diese "Krone"-Story

ORF schweigt zu den neuen Chats

Der eXXpress wollte vom ORF natürlich Antworten auf diese Fragen – das Mail an die ORF-Kommunikationsabteilung blieb bis Stunden nach Veröffenltichung dieses Artikels unbeantwortet. Das lange Schweigen überraschte nicht, immerhin könnte dieses SMS von Thomas Schmid der erste schriftliche Beleg sein, dass im ORF gewisse Gruppen in manchen Parteien mit ihrem Einfluss die Berichterstattung zu ihrem Vorteil beeinflussen können. Nachdem sich dieser Artikel rasant verbreitete und auf breites Interesse der Leser stieß, bekamen wir dann doch noch eine Stellungnahme des ORF (siehe unten).

Irritierend bleibt, warum die Chats, in denen der ORF oder die “Krone” erwähnt werden, bisher von anderen Medien, die stets die Notwendigkeit der Enthüllung eines “gewissen Sittenbildes” beschwören, nicht veröffentlicht worden sind. Wer hat bisher die Auswahl getroffen, was die Österreicher sehen dürfen – und was nicht?

Stellungnahme ORF

“Welche ‚Aufträge‘ auch immer außerhalb des ORF erdacht wurden – Fakt ist: die Berichterstattung es ORF war, ist und bleibt unabhängig. Es gab keine Aufträge an den ORF. Sie wären auch nicht erfolgreich, da ORF-Redakteur/innen weisungsfrei und unabhängig berichten. Das gewährleisten Redakteursstatut und ORF-Gesetz.“

Löste mit seinen 300.000 SMS- und WhatsApp-Nachrichten die Politkrise in Österreich aus: Thomas Schmid