Die deutsche Ampelkoalition will nicht nur den Weg zu deutschen Staatsbürgerschaft beschleunigen, sondern auch erleichtern. Das geht aus einer Protokollerklärung hervor. Demnach müssen sich Migranten nicht mehr in die „deutschen Lebensverhältnisse einordnen“, wie aus einer Protokollerklärung hervorgeht, die am Mittwoch im Bundestags-Innenausschuss vorgetragen werden soll. Anders als bisher soll die Verweigerung des Handschlags gegenüber Frauen aus religiösen Gründen eine Einbürgerung nicht länger verhindern.

Leicht und schneller deutscher Staatsbürger

Die Erklärung im Protokoll liegt der „Welt“ vor. Wörtlich heißt es darin: „Macht der Einbürgerungsbewerber glaubhaft, dass es ihm aufgrund zwingender Vorschriften seiner Religionsgemeinschaft nicht möglich sei, einer Person anderen Geschlechts zur Begrüßung und/oder zum Abschied die Hand zu geben, kann ihm dies nicht im Sinne des Paragraf 11 Satz 1 Nummer 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes entgegengehalten werden.“ Einschränkend wird angemerkt: Dies gelte allerdings nur, „wenn nach der Überzeugung der Staatsangehörigkeitsbehörde im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet“.

Schneller und leichter soll er werden, der Weg zum deutschen Pass – auch ohne Handschlag

Mit anderen Worten: Die Ampel-Fraktionen aus SPD, Grünen und FDP sehen in der Verweigerung des Handschlags gegenüber Frauen nicht mehr zwingenderweise eine Missachtung der Gleichberechtigung. Männliche Migranten, die Frauen nicht die Hand reichen wollen, können dennoch einen deutschen Pass bekommen – und das überdies schneller als bisher. Einbürgerungen sollen für Zuwanderer nun schon nach fünf Jahren, und nicht erst nach acht Jahren möglich sein. Wer „besondere Integrationsleistungen“ vorweisen kann, wie etwa das Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr, soll schon nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können, und nicht erst nach sechs Jahren, wie bisher.

Ampel-Koalition beruft sich auf Religionsfreiheit

Mit der neuen Sicht auf „Handschlags-Verweigerer“ reagiert die deutsche Regierung auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim im Jahr 2020. Damals lehnten die Richter den Einbürgerungsantrag eines libanesischen Muslims ab, der sich weigerte, Frauen die Hände zu schütteln. Die Einstellung des Mannes gewährleiste nicht, dass er sich „in die deutschen Lebensverhältnisse einordne“, entschieden die Richter.

Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) mit Innenministerin Nancy Faeser (l., beide SPD): Die Protokollerklärung ist ein Signal an das Innenministerium, das zur geplanten Reform noch konkrete Anwendungshinweise für die Behörden vorlegen muss.APA/AFP/Tobias SCHWARZ

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese erklärte dazu: „Es gibt Religionen, bei denen eine Vermeidung von Berührungen in der orthodoxen Praxis eine Rolle spielt.“ Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, ergänzte: „Grundsätzlich können bestimmte Verhaltensweisen einen Widerspruch zu Grundwerten unserer Verfassung wie zum Beispiel der Gleichberechtigung von Mann und Frau indizieren.“ Dies dürfe aber wiederum „nicht zu einer verfassungswidrigen Diskriminierung von Menschen führen, die nach religiösen Überzeugungen handeln“.

Kritik von Rechtsexperten

Scharfe Kritik übt an dieser Argumentation der Konstanzer Ausländerrechtsexperte Daniel Thym. Der Verweis auf die Religionsfreiheit, die Berlin nun stärker berücksichtigen will, überzeuge ihn juristisch „überhaupt nicht“, erklärte er der „Welt“. Es stehe alles andere als fest, ob die Religionsfreiheit juristisch beinhalte, „dass man den Handschlag verweigern darf“.

Im künftigen Einbürgerungsgesetz ist von der Einordnung in die „deutschen Lebensverhältnisse“ nicht mehr die Rede. Allerdings werden ein paar Ausschlussgründe genannt. Polygamie soll demnach ein Ausschlussgrund sein, sprich: Wer gleichzeitig mit mehreren Ehepartnern verheiratet ist, soll nicht deutscher Staatsbürger werden. Gleiches gelte für einen Migranten, der durch „sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet“.