Offiziell zeigt sich der russische Präsident siegessicher. Nicht ohne Grund. Die Gegenoffensive der Ukraine verlief im Sand, die Aufmerksamkeit des Westens verlagerte sich seit dem 7. Oktober zunehmend auf den Nahen Osten, das westliche Bündnis erhält Risse, und die Hilfe für Kiew stockt. Doch über Hinterzimmer sendet Putin andere Botschaften aus, berichtet die US-Zeitschrift New York Times.

Der Krieg zehrt an den Kräften beider Seiten

Spätestens seit September erhalten westliche Beamte vermehrt die Botschaft, dass Putin an einem Waffenstillstand interessiert ist. Die Nachricht gelangt über verschiedene Kanäle an Washington, unter anderem über ausländische Regierungen, die sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch mit Russland in Kontakt stehen. Ähnliche Signale sandte Putin bereits nach Beginn der Ukraine-Invasion im Frühjahr 2022, sowie im Herbst 2022 aus. Sie wurden damals aber von den meisten westlichen Medien ignoriert.

Offiziell rückt der Kreml nicht von seinen bisherigen Kriegszielen ab.

Seit September schickt Putin über Mittelsmänner Signale an Washington

Die Times schreibt: „Mindestens seit September hat Putin über Mittelsmänner signalisiert, dass er für einen Waffenstillstand offen ist, der die Kämpfe entlang der derzeitigen Linien einfriert“. Die Zeitung beruft sich auf ehemalige Spitzenbeamte Russlands, sowie auf hochrangige internationale und amerikanische Beamte. Die meisten wollen anonym bleiben.

Demnach wäre der russische Präsident bereit, ein Abkommen zu schließen, und die Kämpfe zu beenden. Gleichzeitig würde er seine ursprünglichen Kriegsziele verwerfen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestreitet, dass Putin zu Gesprächen und einem Waffenstillstand bereit ist.APA/AFP/POOL/YVES HERMAN

Meisten Russen nicht an Eroberung Kiews interessiert

Ein Grund für Putins Einlenken könnte die Haltung der meisten Russen sein. Einer der Meinungsforscher der Regierung, Valery Fyodorov, sagte im September, dass nur 10 bis 15 Prozent der Russen den Krieg aktiv unterstützten und dass „die meisten Russen nicht die Eroberung von Kiew oder Odessa fordern“.

Allerdings könnte der russische Staatspräsident dennoch auf den Ausgang der US-Wahlen warten und die Kämpfe bis dahin intensivieren. Das nahmen die meisten Beobachter bisher an. Dass das nicht zwingenderweise so ist, liege an der Unsicherheit, die ein Krieg mit sich bringt, sagen die ehemaligen russischen Beamten. Deshalb würde Putin eine frühere Einigung vorziehen.

Putin warte die Wahlen ab und hoffe auf einen Sieg Donald Trumps (Bild), meinen zahlreiche Beobachter. Nicht unbedingt, sagen russische Beamte.

Weiterhin Hindernisse für einen Waffenstillstand

Ein internationaler Berater berichtet: „Sie sagen: ‚Wir sind bereit, über einen Waffenstillstand zu verhandeln‘“, sagte ein hochrangiger internationaler Beamter, der im Herbst mit russischen Spitzenbeamten zusammentraf. „Sie wollen auf dem Schlachtfeld bleiben, wo sie sind“. Ein russischer Ex-Beamter bekräftigte: „Er (Putin) ist wirklich gewillt, bei den derzeitigen Positionen stehen zu bleiben“. Allerdings: „Er ist nicht bereit, auch nur einen Meter zurückzuweichen.“

Das trübt die Aussichten auf ein Kriegsende. Den Wolodymyr Selenskyj dürfte neue Grenzen entlang der jetzigen Front nicht akzeptieren. Er hatte sich vielmehr verpflichtet, das gesamte Territorium der Ukraine zurückzuerobern. Einige US-Beamte vermuten überdies ein Täuschungsmanöver des Kremls. Auch die ehemaligen russischen Beamten räumen ein, dass Putin seine Meinung wieder ändern könnte.

Dass Putin (l.) und Selenskyj (r.) miteinander reden, erscheint augenblicklich als unwahrscheinlich.APA/GETTY

Im vergangenen Jahr ermutigte auch US-General Mark A. Milley, der damalige Vorsitzende der Generalstabschefs, Kiew zu Verhandlungen. Seiner Meinung nach hat die Ukraine auf dem Schlachtfeld bereits alles erreicht, was möglich ist.

Putins Sprecher Dmitri S. Peskow verkündet die offizielle Linie des Kreml, unterstreicht aber Putins Bereitschaft zu Gesprächen.Mikhail Metzel/TASS PUBLICATION

Im vergangenen Jahr ermutigte auch US-General Mark A. Milley, der damalige Vorsitzende der Generalstabschefs, Kiew zu Verhandlungen. Seiner Meinung nach hat die Ukraine auf dem Schlachtfeld bereits alles erreicht, was möglich ist.

Mark Milley schlug vor einem Jahr ebenfalls Verhandlungen vor.