20 Jahre nach 9/11: Österreicher erinnern sich an den Schicksalstag für die USA und die ganze Welt
Der 20. Jahrestag eines der prägendsten und schrecklichsten Tage der Geschichte der USA steht kurz bevor: Am 11. September 2001 wurden New York und Washington zum Ziel von Terroranschlägen, deren Ausmaß und verheerende Folgen so niemand hätte je voraussehen können. Rund 3000 Menschen starben, das kollektive Trauma hält bis heute an. Franz Rößler und Bruno Freytag, zwei Österreicher, die damals dienstlich in den USA waren und die Anschläge miterlebten, erinnern sich.
Auch 20 Jahre danach bleibt ihnen die Erinnerung an den 11. September 2001 genau im Gedächtnis: Zwei Österreichern, die an diesem historischen Tag die Terroranschläge in Washington und New York miterlebten. Im APA-Gespräch blicken Franz Rößler und Bruno Freytag, beide damals im Dienst der Wirtschaftskammer in den USA, zurück.
Erst seit wenigen Tagen, seit dem 1. September 2001, war Franz Rößler in den USA. Der Steirer hatte gerade erst die Leitung des österreichischen Außenwirtschaftscenters in Washington DC übernommen. “Ich kannte mich in DC noch kaum aus und war noch in einem Hotel nahe Dupont Circle untergebracht, circa sechs Kilometer vom Pentagon entfernt.” Seine einzige Kollegin im Büro erhielt am 11. September in der Früh einen Anruf, sie solle das Fernsehen einschalten. Doch es gab in dem kleinen Büro keinen Fernseher, so drehten sie das Radio auf. “Das hat wahrscheinlich etwas von der Dramatik und Panik im ersten Moment weggenommen”. Im Radio hörten sie dann über die Flugzeugabstürze in New York City. “Beim zweiten war klar, dass dies kein Zufall mehr war”.
Dass nicht nur die Metropole New York, sondern auch die US-Hauptstadt Washington bedroht war, habe er erst wahrgenommen, als die Leute aus den Bürogebäuden alle auf die Straße hinunterliefen – auch seine Mitarbeiterin. “Da ich noch so neu in Washington war und keine Ortskenntnisse hatte, und das Hotel auch nicht sicherer war als das Bürogebäude, beschloss ich im AußenwirtschaftsCenter zu bleiben.” Vom Fenster aus sah Rößler das Verkehrschaos, die Menschen versuchten noch in die U-Bahn zu kommen, aber dann wurde die U-Bahn gesperrt. Viele Menschen liefen Richtung Norden, weg vom Zentrum, die Polizeisirenen wurden immer lauter. “Für mich relativ überraschend schnell waren die Menschen weg und es war nachmittags plötzlich gespenstisch still. Im Radio warnte die Polizei, einen Aufenthalt im Zentrum oder in Hochhäusern möglichst zu vermeiden. Ich ging dann erst abends in das nahe Hotel zurück, sah die geschlossenen Geschäfte und keine Menschen auf der Straße.” Im Hotel schaltete er das Fernsehgerät ein und erst dann war ihm die große Gefahr für die USA, DC und auch etwas für ihn selber bewusst. “America under Attack”, titelten die Fernsehsender – wie bei einem militärischen Angriff, erinnert sich Rößler.
Dass eines der von Terroristen gekaperten Flugzeuge in Washington ins Pentagon, ins US-Verteidigungsministerium stürzte, sei in der Hauptstadt zunächst sogar etwas heruntergespielt worden, denn es wurde kommuniziert, dass in dem getroffenen Gebäudeteil gerade niemand gearbeitet habe. Der Schwerpunkt der Berichte sei auf New York gelegen. Am nächsten Tag war allen klar, dass dieser Mittwoch kein Arbeitstag werde. “Ich ging vom Hotel auf die Straße und sah mitten in Washington DC einen Panzer auf der Kreuzung und sonst keine Autos. Alle Geschäfte waren geschlossen, nur der Starbucks um die Ecke war sonderbarerweise geöffnet und gut frequentiert.” Seine Kollegin meldete sich erst zwei Tage später, sie werde nicht mehr zur Arbeit kommen, weil sie sich nicht mehr ins Zentrum von Washington traue. Dafür kamen einige österreichischen Landsleute in sein Büro – nur um miteinander zu reden. Er habe dann auch versucht, gestrandeten österreichischen Geschäftsleuten zu helfen, mit Mietwägen über den Landweg nach Kanada zu kommen und von dort aus nach Europa zu fliegen, weil der Flugverkehr über den USA komplett eingestellt war.
“Dieser Tag hat die USA wohl für immer verändert und eine stärkere Innenorientierung des Landes in Richtung der eigenen Interessen gebracht. Zu groß war die Enttäuschung, dass die USA als jenes Land, welches nach Eigenvorstellung sich für gute Werte weltweit einsetzte, so angegriffen wurde und der Angriff nun plötzlich auf eigenem Boden stattfand”, zieht er Resümee. Persönlich sei er seitdem immer sehr aufmerksam für Fluchtwege, und sei oft der einzige Teilnehmer entsprechender Schulungen. In Hongkong, wo Rößler derzeit für die Wirtschaftskammer arbeitet, habe er für die Kollegen eine Feuerübung organisiert. Und: Man sollte immer so leben, dass man – wenn wirklich so etwas passieren sollte – keine Gräben hinterlässt.
Für Bruno Freytag, vor 20 Jahren als Wirtschaftsdelegierter in New York, war der 11. September zunächst ein wunderschöner klarer Herbsttag, wie er sich auf der Fahrt in die Arbeit dachte. Sein Büro in Manhattan war etwa zehn Kilometer Luftlinie vom World Trade Center (WTC) entfernt. Nach dem Einschlag des ersten Fliegers hätten alle auf das WTC geschaut, als ein zweites Flugzeug in den zweiten Turm krachte. Er habe nicht das Flugzeug, sondern nur eine Rauchwolke nach dem Einschlag gesehen. Wenn das jemand absichtlich so inszeniert hatte, habe er die maximale Aufmerksamkeit bekommen, meint er. “Alle Augen, alle Kameras waren auf das WTC gerichtet. Man hat auch alles so klar gesehen, weil so ein schönes Wetter war.”
Am nächsten Tag, am Mittwoch, sei Stille über der Stadt gelegen, und der Wind habe vom Meer nach Manhattan geweht und die Asche vom World Trade Center sei über der Stadt niedergefallen. “Unvergesslich ist diese Rauchfahne, das hat geglost, über Wochen.” Es sei damals schon jedem bewusst gewesen, “dass man einen historischen Augenblick erlebt, dass das erlebte Geschichte ist, wo du am Ort der Geschichte bist und das miterlebst.” Es war “unfassbar, dass so ein Anschlag auf amerikanischem Boden passierte, und dass auf einmal Panzer auf den Straßen in Washington waren und Panzerfahrzeuge in New York. Auch wenn es keinen Sinn machte, außer der Bevölkerung das Gefühl zu geben, dass sie geschützt wird.”
Heute, 20 Jahre danach und mittlerweile in Pension, sieht Freytag das Erlebnis der Terroranschläge als “Schock”, aber ein Trauma sei es für ihn nicht geworden. “Es war schon im ersten Moment so traurig, das Gefühl für die armen Menschen, die da nicht aus dem Hochhaus hinauskönnen und so bewusst sterben mussten.” Er habe sich nur gedacht, “Mein Gott, die sind da oben und die können nicht weg.” Das sei sehr bedrückend gewesen. Die Anschläge hätten noch viel Schlimmeres ausgelöst, den Irak-Krieg, den Afghanistan-Krieg. “Das Elend hat sich vertausendfacht.” Den etwa dreitausend Toten der Terroranschläge seien Hunderttausende weitere gefolgt. (APA)
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