Er gehörte einst zur Welt-Elite im Tennis, der sich jahrelang mit den Größten des Sports maß, angefangen von Roger Federer über Novak Djokovic bis hin zu Rafael Nadal. Letztgenannten vermochte er sogar zweimal zu besiegen. In der Weltrangliste kletterte er bis auf Rang 13. Die Rede ist vom Ukrainer Alexandr Dolgopolov.

Der heute 36-Jährige sah sich im Frühjahr 2021 allerdings gezwungen, wegen einer Handgelenksverletzung dem Tennissport den Rücken zu kehren. Nach der Beendigung seiner Karriere, in deren Verlauf er rund sieben Millionen Dollar an Preisgeld verdient hatte, lebte er mit seiner Familie am türkischen Meer.

Doch dann platze der Krieg in sein Leben. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine am 24. Februar 2022 entschloss er sich kurzerhand, an die Front zu gehen und sein Heimatland zu verteidigen – gegen den Widerstand seiner Familie, wie er in einem Interview mit dem “Spiegel” heute sagt. Warum? Sein Gewissen habe ihn getrieben. “Es sagte mir: Du musst das jetzt tun”.

Mangels militärischer Kenntnisse habe er in der Türkei einen Schießstand aufgesucht, um den Umgang mit dem Gewehr rasch zu erlernen. “Durch Zufall” sei er dort auf einen ehemaligen Soldaten gestoßen, der ihm binnen einer Woche das Einmaleins im Waffengebrauch beigebracht habe.

Danach habe er sich ein Gewehr des Typs AR-15 gekauft, “dazu Tarnkleidung und eine Schutzweste”. Schließlich habe er sich freiwillig zum Kriegsdienst an der Front gemeldet – als Drohnenpilot. Dolgopolov schloss sich Freunden an, die in der ukrainischen Stadt Cherson kämpften. “Sie brachten mir die Grundlagen militärischer Taktik bei, wie man sich in unübersichtlichem Terrain bewegt, wie man Granaten wirft, solche Dinge”, erzählt er im “Spiegel”-Gespräch.

Alexandr DolgopolovGETTYIMAGES/Julian Finney

"Wir hatten eine Scheißangst"

Während Dolgopolov als Tennisprofi durch die Welt getingelt und in Luxushotels abgestiegen war, riss ihn der Krieg unvermittelt aus der wohlbehüteten Komfortzone seines früheren Lebens. “Heute schlafe ich manchmal in den zerstörten Häusern verlassener Dörfer, wo die Toilette ein Loch ist und wo es von Kakerlaken und Mäusen wimmelt”, sagt er.

Doch ungleich schrecklicher als diese Unwirtlichkeiten seien die Gräuel auf dem Schlachtfeld. Dolgopolov: “Wenn einem Kameraden bei einer Explosion vor deinen Augen ein Bein abgerissen wird, bekommt dein Blick auf das Leben eine neue Perspektive.” Er erzählt in diesem Zusammenhang, dass er selbst einmal dem Tod nur um ein Haar entronnen sei.

Er und seine Einheit seien in der Region Saporischschja von den Russen mit Mörsergranaten “vom Kaliber 120 Millimeter” beschossen worden. Dabei seien sie mit letzter Not in einen Schützengraben gesprungen. Allerdings seien sie auch dort nicht sicher gewesen. Denn: “Wenn Granaten dieser Größe weniger als acht Meter entfernt von einem einschlagen, kann es dir die Eingeweide zerfetzen.” Sein Zusatz: “Wir hatten eine Scheißangst.”

Aufgrund der enormen Druckwellen bei den Explosionen hätten er und seine Mitkämpfer allesamt Gehirnerschütterungen erlitten. Dolgopolov hatte starke Kopf- und Ohrenschmerzen und musste eine ganze Woche sogar ins Krankenhaus.

Auf die Frage, ob er den Tod fürchte, antwortet der ehemalige Tennisprofi: “Ehrlicherweise habe ich größere Angst, verletzt zu werden und ein Leben als Invalide führen zu müssen. Könnte ich es mir aussuchen, wäre ich lieber tot.”

Alexandr DolgopolovIMAGO/Imaginechina

"Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel"

Mit Blick auf die westliche Hilfe für die Ukraine übt Dolgopolow leise Kritik. Entscheidungsprozesse und Hilfslieferungen gingen viel zu langsam voran, sagt er. Obwohl der Krieg bereits seit drei Jahren tobe, müsse sein Land “nach wie vor um alles betteln. Um Panzer, um Raketen, um Flugzeuge”.

Er verweist darauf, dass Russland genügend Reserven und Verbündete habe, um den Krieg weiterzuführen. Als Beispiel nennt er die militärische Hilfe durch Nordkorea. “Uns dagegen fehlt Material an allen Ecken und Enden”, sagt er resigniert.

Dolgopolov erzählt, es komme immer wieder vor, dass ukrainische Soldaten in Nissan-Geländewagen statt gepanzerten Fahrzeugen vorrückten. Einmal sei so ein Jeep auf eine Mine gefahren und von der Explosion durch die Luft geschleudert worden. “Zum Glück überlebten alle, aber ein Mann verlor sein Bein.”

Dolgopolov sieht sich und seine Kameraden an der Front denn auch bloß als “Werkzeug” des Westens, um Russland zu schwächen. Und er stellt bitter fest: “Kein Verbündeter versucht alles in seiner Macht Stehende, um uns zu helfen. Man schickt uns veraltetes Gerät oder das, was die Nato nicht mehr braucht.” Moderne Waffen kämen nur in kleinen Mengen an – und auch “viel zu spät”. Sein Fazit: “Es ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.”

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Kommentare

  • Bull sagt:

    Nur weil jemand gut Tennis spielt, ist das keine Voraussetzung für das Vorhandensein von Verstand….Millionen seiner Landsleute sehen das genau so und trinken Champagner in St. Moritz, Ibiza und Monte Carlo

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  • Thomas Haubenhofer sagt:

    Die Waffen nieder!
    (siehe Buch von Bertha von Suttner)

    Der 2019 gewählte Friedenspräsident – ohne legitimiertes Mandat seit letztem Jahr – hat sein Versprechen ja toll eingehalten.

    Und das „Friedensprojekt EU“‘steht an vorderster Front.

    Frei nach Orwell: Frieden ist Krieg + Krieg ist Frieden.

    Es wird Zeit die kriegsgeile Elite und dem militärisch-industriellen Komplex unterwürfige geldgeile „Führung“ loszuwerden.

  • Gustave sagt:

    Sterben für Selenskyj? Wie dumm kann man sein?

    Kritischer Fehler. Doppelter Kommentar.

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  • Don sagt:

    Wer hat für das Veröffentlichen dieses Artikels bezahlt? Soros?

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  • Floki sagt:

    Grad die schlauste Kerze auf der Torte scheint er ja nicht zu sein..
    Und natürlich kommen das militärische westliche super Hightech überteuerte Spielzeug nicht mehr in der Ukraine an das steht nämlich schon verbrannt und verschrottet dort herum.. nun zum größtenteils

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  • Weils die Wahrheit ist sagt:

    “Dolgopolov sieht sich und seine Kameraden an der Front denn auch bloß als “Werkzeug” des Westens, um R u s s l a n d zu schwächen.”
    Er sieht das richtig.
    Und immer mehr seiner Mitbürger sehen das ebenso.
    Auf Grund leerer Versprechen in den Tod geschickt…….

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  • Achim sagt:

    Das Gewissen sagt das eine, der Verstand sollte aber sagen, dass die ukrainischen Regierungen seit 2014 Krieg gegen die russischsprachigen Gebiete in der Ukraine führen und gegen die russischsprachige Bevölkerung im allgemeinen. Der Verstand sollte auch wissen, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland geführt wird. Der Verstand sollte zu der Erkenntnis kommen, dass ein sofortiger Frieden Menschenleben retten wird, auch das seinige, und nicht Waffen werden das tun, sondern Verhandlungen. Der Verstand sollte wissen, das Lug und Trug in der Politik die Hirne der Menschen vergiften und orientierungslos machen.

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  • GeBa sagt:

    Man lese dazu im Telegram Kanal von Gerald Markel –
    Handbuch für Abonnenten des betreuten Denkens – Kapitel Ukrainekrieg

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  • Hmmm.... sagt:

    ..er war also Nr. 13 !?! Nun , beim Ster.ben ist jeder der Erste, auch er… !!

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  • Thüringer sagt:

    “Dolgopolov sieht sich und seine Kameraden an der Front denn auch bloß als “Werkzeug” des Westens, um Russland zu schwächen.”
    Wenn er das erkannt hat, dann weiß er doch, dass er nicht für seine Heimat kämpft, sondern für die kranken Machtgelüste westlicher “Eliten”.

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