Fehler passieren: Spanien und Israel ändern ihre Corona-Politik
761,9 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner gibt es derzeit in Österreich. In Spanien liegt diese Inzidenz bei atemberaubenden 2989. Doch von Nervosität ist dort keine Spur. Ganz im Gegenteil. Während die Omikron-Variante über das Land fegt, denkt man in Madrid bereits über einen Kurswechsel nach. Man will zurück zur Normalität.
Seit Ende Dezember haben sich in Spanien drei Prozent der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert. Die Dunkelziffer wird um einiges höher sein. Die Spanier sind keine Test-Weltmeister. Trotz Zahlen, die uns hierzulande wohl ohne Umschweife in den nächsten harten Lockdown geführt hätten, deutete Ministerpräsident Pedro Sánchez einen fundamentalen Wandel in der Corona-Politik an. Er sprach von „anderen Parametern“, die es „nach und nach“ einzuführen gelte und erklärte: „Wir bewegen uns in Richtung einer endemischen Krankheit anstelle einer Pandemie wie bisher.“
Klartext: Omikron soll nicht mehr anders behandelt werden als die Grippe. Für Patienten ohne schwere Symptome würde Covid-19 damit zu einer beliebigen Krankheit ohne Tests, Meldepflichten, Quarantänen oder Kontaktsperren. In fünf der 17 spanischen Regionen liefen bereits entsprechende Pilotprojekte, so die Tageszeitung „El País“. Sánchez bestätigte derweil Bemühungen, „die Debatte“ über den Paradigmenwechsel auch „auf europäischer Ebene zu eröffnen“. Gesundheitsministerin Carolina Darias hätte diverse Amtskollegen darüber schon in Kenntnis gesetzt.
Umdenken auch in Israel
Auch in Israel erlebt man aktuell Rekordinzidenzen – und lockert trotzdem sämtliche Corona-Maßnahmen. Israels Wissenschaftler bezweifeln seit der Ausbreitung von Omikron die Sinnhaftigkeit von Lockdowns und Einreisebeschränkungen. Die neue Variante sei zwar ansteckend, wirke sich aber großteils wie eine Grippe aus.
Die kürzlich eingeführte Einreisesperre wurde wieder aufgehoben. Schulen und Restaurants sollen geöffnet bleiben, es bestehen auch keine Kontaktbeschränkungen. Partys und Urlaubsreisen sind wieder möglich. Bei der Teststrategie vollzieht Israel ebenfalls einen radikalen Kurswechsel: Niemand muss mehr positive Testergebnisse den Behörden melden. Wie stark die Infektionszahlen tatsächlich ansteigen, dürfte bald nicht mehr bekannt sein. “Die neuen Testrichtlinien geben der individuellen Verantwortung mehr Gewicht”, erklärte dazu der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums, Nachman Ash.
"Vorsichtig mit Prognosen über die Zukunft"
Für Spanien wäre ein solcher Paradigmenwechsel beachtlich. Das Land verhängte schließlich im Frühjahr 2020 mit einer monatelangen Ausgangssperre die härtesten Einschränkungen der westlichen Welt. Länger als anderswo wurde außerdem auf einer allumfassenden Maskenpflicht beharrt (auch in der aktuellen Omikron-Welle gilt sie wieder) und ein strenges Quarantäneregelwerk verhängt. Doch der Schritt wäre wichtig. Das Gesundheitssystem kommt bei der bisherigen Vorgehensweise einfach nicht mehr mit. Allein in Katalonien mit rund 7,5 Millionen Einwohnern wurden am Montag fast 100.000 Menschen wegen Corona in den Erstaufnahmezentren vorstellig, berichtet „Welt“.
Aber freilich kommen diese Pläne nicht bei allen gut an: „Wir dürfen die Pandemie nicht banalisieren“, erklärte etwa Lorenzo Armenteros, Sprecher des Verbandes der Allgemein- und Familienärzte SEMG. „Man sollte sehr vorsichtig sein mit Prognosen über die Zukunft“, warnt auch Hans Kluge, Europadirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO. Auch aus der spanischen Regierung heißt es, dass die Umstellung frühestens nach Ende der aktuellen Welle erfolgen soll.
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