Lockdown nur noch für Impfverweigerer? Die Debatte beginnt
Angesichts der sich ausbreitenden Delta-Variante wächst die Angst vor einem weiteren Lockdown. Mittlerweile beginnt die Debatte, ob künftig nur mehr Impfverweigerer mit Lockdown-Maßnahmen rechnen müssen. Äußerungen der Politik gehen auch in die Richtung.
Keiner will einen weiteren Lockdown. Allerdings könnte ein solcher nötig werden, falls nicht genügend Menschen geimpft sind. Das wirft die Frage auf, ob die Politik an ihrer bisherigen Corona-Strategie festhalten wird: dieselben Maßnahmen für alle, ohne Eigenverantwortung. Mehrere Äußerungen deuten auf ein Umdenken hin.
„Impfverweigerer können nicht die gesamte Welt in Haftung nehmen“
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) etwa formulierte kürzlich eine neue Corona-Stoßrichtung der Politik in Mainz. Demnach werde man vom „kollektiven Schutzgedanken Schritt für Schritt zur individualisierten Eigenverantwortung übergehen“. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits Anfang Juli an – der eXXpress berichtete: „Nun ist die richtige Zeit zur Rückkehr in Eigenverantwortung“, erklärte er vor dem Wirtschaftsbund, schließlich könne sich jeder, der will, impfen lassen, Tests und Masken stehen auch zur Verfügung.
Während sich nun tatsächlich alle Menschen in Deutschland wie in Österreich impfen lassen können, wenn sie das wollen, nährt zurzeit die Delta-Version Angst vor einem weitere Lockdown. Dagegen erheben sich aber warnende Stimmen: „Warum sollen diejenigen, die geimpft sind, nun auch weiter die Zeche zahlen und Einschränkungen erdulden?“, fragt nun FOCUS-Online-Redakteur Matthias Hochstätter. Er zitiert dabei Ethikrat-Mitglied Professor Franz-Josef Bormann von der Uni Tübingen. „Als Impfverweigerer können sie nicht die gesamte Welt samt den geltenden Reglements in Haftung nehmen und erwarten, dass sie sich nach ihrer Logik richtet.“
Wirtschaftsethiker sehen eine moralische Impfpflicht
Von einer moralischen Impflicht des Einzelnen sprechen die beiden Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner Martin Kolmar von der Universität St. Gallen. Bei einem nächsten Lockdown könnten sich die Konflikte in unserer Gesellschaft noch einmal verstärken, argumentieren sie, „wenn nämlich Impfverweigerer für die entsprechenden Maßnahmen verantwortlich gemacht werden – eine Minderheit, die der Mehrheit ihre Freiheit nimmt, so oder ähnlich könnte es dann heißen.“
Die relevanten Bedingungen für eine moralische Impflicht auf jeden Fall erfüllt: „Die zugelassenen Impfstoffe sind gegen die derzeitigen Virusvarianten hocheffektiv, die Nebenwirkungen sind — obwohl vorhanden — in der überwältigenden Zahl der Fälle tolerierbar, und die Impfstoffe reduzieren auch die Ansteckung Dritter signifikant.“
Sie kommen zum Schluss: „Wenn nicht für den individuellen Fall gesundheitliche Risiken dagegensprechen, bedeutet moralisches Handeln, sich impfen zu lassen. Dies nicht zu tun, bedeutet, seiner moralischen Pflicht gegenüber der Gesellschaft nicht gerecht zu werden. Und dies aus eigenem Antrieb aus einem Gefühl der Verantwortung zu tun, schützt auch die eigene, persönliche Freiheit, weil dadurch staatliche Eingriffe (wie ein neuer Lockdown) unnötig werden.“
Kommentare