Schon im Jahr 1904: „Greise jammern, Männer stöhnen, Frauen klagen: die Hitze!“
Europas Hauptstädte stöhnen nicht zum ersten Mal unter einer Hitzewelle. Ein 1904 veröffentlichter Artikel liefert einen bemerkenswerten Einblick in ein bereits vor 119 Jahren von einem Jahrhundertsommer gepeinigtes Berlin.
Besonders die Großstädte ächzen unter dem Joch der sommerlichen Hitzewelle. Die Straßen und vielen Häuser heizen sich erbarmungslos auf und verwandeln die Gassen in einen Hochofen. 36 Grad hatte es heuer bereits in Wien und auch in Berlin wurde die 35-Grad-Marke bereits übertroffen. Wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahre 1904 allerdings zeigt: Ganz so neu ist das alles nicht. Die deutsche Hauptstadt wird nicht zum ersten Mal von sengender Hitze gepeinigt.
Die Elbe konnte zu Fuß durchquert werden
Von Mai bis August 1904 lag ein Hochdruckgebiet über Deutschland, in Berlin hatte es am 16. Juli 35,5 Grad Celsius und die Elbe konnte man vielerorts zu Fuß durchwaten, der Schiffsverkehr kam zum Erliegen, Dürren vernichteten die Ernte. Der Sommer von 1904 hatte das Land fest im Griff. Am 14. August schrieb ein unbekannter Autor in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ folgenden, wunderbar bildlich geschriebenen Kommentar, der zwar nicht kühlt, aber die Hitze durch seinen Unterhaltungswert hoffentlich etwas erträglicher machen kann.
„Kühlung! Kühlung!"
„Greise jammern, Männer stöhnen, Frauen klagen, Kinder wimmern: die Hitze! Der Mensch hat nur einen Wunsch: Kühlung! Kühlung! Kühlung! Die Glücklicheren verbringen ihre Tage im Zimmer hinter fest verschlossenen Jalousien, auf dem Sofa liegend, im lethargischen Zustand eines Morphinisten. Die größere, unglücklichere Hälfte der Menschheit aber, die gezwungen ist, sich hinaus in die kochende Hölle zu begeben, droht unter dem Tag für Tag blauen Himmel und der schrecklichen Sonnenglut zusammenzubrechen. Vergeblich sucht man die quellenden Poren durch Einführung von ungeheuren kalten Flüssigkeitsmengen zu beruhigen. Die Städte gleichen Glutkesseln und auf dem Lande drohen die Ströme zu versiegen und die Feldfrüchte zu verdorren.“
Der Autor gibt zum Schluss einen Linderung versprechenden Tipp
Bereits 2018 verwies der „Tagesspiegel“ auf den Artikel mit der Bemerkung: „Es ist nicht zum ersten Mal heiß in Berlin“.
In bildreicher Rede fährt der Autor im Jahr 1904 fort: „Himmel, wann wirst du ein Einsehen haben? Soll die ganze Menschheit geröstet werden? Frühmorgens setzt mit 22 bis 25 Grad die sogenannte blödsinnige Hitze ein und steigert sich zur Bullenhitze mit 30, 35 und so viel Graden, dass die Thermometer streiken. Gleich leblosen, schlecht geschmierten Maschinen schleichen die Menschen umher. Sie reden, wenn sie überhaupt den Mund auftun, nur von der Hitze und Abwehrmaßregeln. Herrliche Sommer, in denen es in Strömen vom Himmel heruntergoss, wie hart werden wir gestraft, weil wir euch gelästert haben!“
Übrigens, der Linderung versprechende Tipp der Berliner Illustrirten Zeitung 1904: ein kühles Weißbier, „als det einzig Wahre“.
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