Studie: Herzinfarkt-Patienten leben wegen Corona-Lockdown um zwei Jahre kürzer
Bereits der erste Lockdown-Monat hatte dramatische Folgen für Gesundheit und Gesellschaft. Das zeigt eine neue Studie über Herzinfarkt-Patienten im Vereinigten Königreich und in Spanien. Patienten, die zu Beginn der Corona-Pandemie eine Herzattacke erlitten, wurden seltener behandelt – und starben häufiger.
Während der ersten Covid-19-Sperre suchten 40 Prozent weniger Herzinfarkt-Patienten ein Krankenhaus auf. Dafür gab es vor allem drei Gründe: Die Regierungen forderten die Menschen auf, zu Hause zu bleiben. Überdies hatten viele Patienten Angst, sich mit dem Virus anzustecken. Darüber hinaus wurden einige routinemäßige Notfall-Behandlungen eingestellt. Das hatte schwerwiegende Konsequenzen, wie eine neue Studie ermittelt hat, die jetzt im „European Heart Journal“ erschienen ist, einer Fachzeitschrift der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.
Prof. Wijns: „Unmittelbare und langfristige negative Folgen für Einzelnen und Gesellschaft“
Wer zu Corona-Beginn eine Herzattacke erlitten hat, lebt demnach 1,5 bzw. zwei Jahre kürzer. Damit einhergehend sind auch zusätzliche Kosten in Millionenhöhe für die Wirtschaft entstanden, vor allem wegen der Arbeitsausfälle.
Die am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung widmet sich dem ersten Lockdown-Monat im Vereinigten Königreich (23. März bis 22. April (2020) und in Spanien (März 2020). In beiden Ländern verglich sie die Lockdown-Zeit mit dem entsprechenden Zeitraum zuvor im Jahr 2019.
Studienautor Professor William Wijns warnt: „Einschränkungen bei der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen haben unmittelbare und langfristige negative Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes.“ Wijns arbeitet am Lambe Institute for Translational Medicine der Universität Galway in Irland. „Die Ergebnisse verdeutlichen die Folgen einer verzögerten oder unterlassenen Behandlung. Die Patienten und die Gesellschaft werden den Preis für die reduzierte Herzinfarkt-Behandlung während nur eines Monats der Abriegelung noch jahrelang zahlen.“
Doppelt so hohes Sterberisiko ohne Behandlung
Herzinfakte sind Notfälle, die Zeit drängt. Die Zellen des Herzmuskels gehen zugrunde, weil Teile des Muskels zu wenig sauerstoffreiches Blut erhalten. Die Behandlung soll den Fluss des sauerstoffhaltigen Blutes wiederherstellen. Verzögerungen und der daraus resultierende Sauerstoffmangel bewirken irreversible Schäden des Herzmuskels, im schlimmsten Fall mit tödlichen Folgen.
Herz-Patienten, die während des ersten Lockdown-Monats nicht rechtzeitig behandelt werden, sondern zu Hause blieben, hatten ein mehr als doppelt so hohes Sterberisiko. Bei all jenen, die den Weg ins Spital hinauszögerten, war die Wahrscheinlichkeit schwerer und vermeidbarer Komplikationen fast doppelt so hoch.
Gemäß der Studie wurden im Vereinigten Königreich vor der Pandemie 77 Prozent der Herzinfarkt-Patienten in das Krankenhaus eingeliefert, nur noch 44 Prozent waren es während der ersten Abriegelungsphase. In Spanien sank die entsprechende Rate von 74 Prozent auf 57 Prozent. Das hatte langfristige klinische Auswirkungen: Die britischen. Patienten leben im Schnitt um 1,55 Jahre weniger, jene in Spanien um 2,03 Jahre. Wer zum Zeitpunkt der Herzattacke bei bester Gesundheit war, verlor aufgrund der eingeschränkten Behandlung im Vereinigten Königreich etwa ein Jahr und zwei Monate seines Lebens, in Spanien sind es ein Jahr und sieben Monate.
Kosten von 41,3 Millionen bzw. 88,6 Millionen Euro
Auch die wirtschaftlichen Folgen der verringerten Behandlung von Herzattacken zu Corona-Beginn wurden analysiert. Ermittelt wurden vor allem die Koksten wegen der nötigen Nachbehandlungen und wegen des Produktionsverlusts der Patienten. Über die gesamte Lebenszeit der britischen Patienten gerechnet sind wegen der ungenügenden Behandlung schätzungsweise 41,3 Millionen Euro Kosten entstanden, in Spanien 88,6 Millionen Euro, und zwar vor allem wegen der erhöhten Arbeitsausfälle.
Professor William Wijns unterstreicht: „Es müssen Notfallpläne vorhanden sein, damit die Notdienste auch bei Natur- oder Gesundheitskatastrophen aufrechterhalten werden können.“ Die Gesundheitsdienste bräuchten eine Liste mit lebensrettenden Therapien, „die immer zur Verfügung stehen sollten, und es müssen belastbare Gesundheitssysteme geschaffen werden, die ohne Verzögerung auf Notfallpläne umschalten können.“
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