Ganz im Banne Afghanistans steht die am Dienstag gestartete Migrationskonferenz des ThinkTanks ICMPD (Zentrum für Migrationspolitik) in Wien. Hochrangige Vertreter aus aller Welt nehmen teil. Sie wollten eigentlich über die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern von Flüchtlingen reden. Im Endeffekt kreisten die Debatten aber primär darum, wie man den neue Flüchtlingsstrom aus Afghanistan aufhalten kann. Denn eines steht fest: Die neue Flüchtlingswelle ist bereits in vollem Gange und die Nachbarländer erklären einhellig dem Westen: Wir sind bei der Flüchtlingsaufnahme schon am Limit.

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sieht die Lage noch dramatischer als 2015APA/GEORG HOCHMUTH

Abwanderungswelle aus Afghanistan findet bereits statt

Sowohl die Vertreter des Irans, Tadschikistans sowie der Türkei artikulierten deutlich, dass ihre Kapazitäten begrenzt bzw. bereits ausgeschöpft seien und riefen die EU zu weiterer Hilfe auf. Besorgt zeigten sie sich angesichts steigender Flüchtlingszahlen in ihren Staaten. Dem pflichtete auch ein virtuell zugeschalteter hochrangiger Beamter aus Afghanistan bei: Die große Abwanderungswelle sei keine Frage der Zeit, sie finde bereits statt, sagte der Vorsitzende des Hohen Rates für nationale Versöhnung (HCNR) in Afghanistan, Abdullah Abdullah.

ICMPD-Direktor und Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger bei seiner RedeAPA/GEORG HOCHMUTH

Warnende Worte kamen vom ungarischen Außenminister Péter Szijjártó. Derzeit drohe eine “noch größere Gefahr als 2015”. Der Migrationsdruck komme nun nämlich von allen Seiten – sei es Afghanistan und der Nahen Osten oder der Subsahara-Region. Dass die libysche Regierung für ihren Umgang mit Flüchtlingen (Unterbringung in umstrittenen Internierungslagern, Anm.) nun von NGOs kritisiert werde, sei “verrückt” und “total dumm”. Lobende Worte des Lobes fand er für Ägypten, das das Ablegen von Flüchtlingsbooten seit Jahren erfolgreich verhindere. Szijjártó hat auch eXXpressTV ein ausführliches Interview gegeben. Es wird heute um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

Spindelegger: "Innovative Wege" bei Migration finden

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnete die “Erpressung” mittels Flüchtlingen von Seite der Türkei als “inakzeptabel”.  Angesichts neuer Flüchtlingsbewegungen aus Afghanistan brauche es eine Versorgung der Geflüchteten in der Region. “Wir erpressen nicht, wir erinnern unsere Partner nur an ihre Verantwortung”, entgegnete Ahmet Muhtar Gün, ständiger Vertreter der Türkei bei den Vereinten Nationen in Wien. Die Kapazitäten der Türkei bezüglich Flüchtlingsaufnahme und -versorgung seien gänzlich ausgeschöpft. Rund vier Millionen Syrer befinden sich mittlerweile in der Türkei.

Gastgeber der Konferenz, Ex-Vizekanzler Spindelegger, forderte in seiner Eröffnungsrede die Suche nach “innovativen Wegen”, um reguläre Migration zu beleben und sie “intelligenter und effektiver” zu machen. Es ist die bereits sechste “Vienna Migration Conference” (VCM) des in Wien ansässigen International Centre for Migration Policy Development (ICMPD). Sie steht unter dem Motto “Migrationspartnerschaften neu denken: Herausforderungen, Möglichkeiten und Strategien”. (APA/Red)