Plagiatsjäger Stefan Weber hat sich die Diplomarbeit von ÖBB-Vorstand Andreas Matthä vorgeknöpft. Ergebnis: „dutzende Internet-Plagiate in klarer Täuschungsabsicht“. Diesmal gelangt der Salzburger Kommunikationswissenschaftler freilich zu einem besonders vernichtenden Urteil: „Die Arbeit ist so verlogen, dass einem das Grausen kommt“, meint er. Der Chef der ÖBB „konnte oder wollte nicht selbst behirnen und texten.“

Weber macht die gesamte Plagiatsdokumentation auf seinem Blog öffentlich zugänglich. Sie dokumentiert 60 Plagiate, die laut Weber aber bewusst in die Irre führen. „Wenn es mit rechten Dingen zugeht, müsste Herr Matthä seinen Magistergrad von der FH Wien verlieren.“

Für Stefan Weber (Bild) ist diesmal die Täuschungsabsicht besonders eindeutig. Er ortet ein grundlegendes Problem in Österreich.Joachim Bergauer

„Bewusste Entscheidung für Täuschung, kein Fehler“

Die Arbeit des Bahnchefs über „Mitarbeitergespräch und Mitarbeiterbeurteilung am Beispiel des ÖBB-Geschäftsbereichs Planung und Engineering“ verwendet permanent das „garnierte Plagiat“, sagt Weber. Damit bezeichnet der Plagiatsjäger ein offenbar besonders perfides Vorgehen. Zunächst werden ausgiebig Texte von Internet-Seiten in die Arbeit kopiert, danach mit Fußnoten zu anderer Literatur versehen. So entsteht beim Leser der Eindruck, der Autor habe die Textpassagen, auf die seine Fußnoten – fälschlicherweise! – verweisen, in eigenen Worten zusammengefasst.

Offenbar wurde bereits das Inhaltsverzeichnis 1:1 übernommen.plagiatsgutachten.com

Stefan Weber kommentiert: „Man hole sich Text aus unterschiedlichen Internet-Quellen, die man niemals irgendwo erwähne. Dann garniere man diese unzitierten Fremdtexte mit Fußnoten zu anderer (!) Literatur, aber zu den in den Fremdtexten erwähnten Sachthemen. Es entsteht beim Leser somit der Eindruck, der Verfasser habe den Inhalt der in den Fußnoten zitierten Literaturtitel in eigenen Worten wiedergegeben. In Wahrheit gibt es gar keine eigene inhaltliche Auseinandersetzung. Der Fließtext ist Copy/Paste-Machwerk.“

Selbst das Schlusswort sei „dreist plagiiert“ worden. „Die wahren Quellen stammen meist aus Deutschland, wie so oft bei österreichischen Plagiaten. Das war alles eine bewusste Entscheidung für Täuschung, kein Fehler.“

Links befindet sich die Diplomarbeit, rechts die – verheimlichte? – Quelle. Die Fußnote führt hingegen zu einer gänzlichen anderen Quelle.plagiatsgutachten.com
Beispiele wie diese belegt Stefan Weber auf zahlreichen Seiten.plagiatsgutachten.com

Matthä: Habe mich an „damals geltende Standards“ gehalten

Vorstandsvorsitzenden der ÖBB reagierte bereits. Er habe die Fachhochschule Wien um eine Prüfung seiner Arbeit gebeten. „Die Diplomarbeit habe ich entsprechend der damals geltenden wissenschaftlichen Standards und technischen Möglichkeiten geschrieben“, erklärt Matthä . Und: „Ich habe Studium, Diplomarbeit und Diplomprüfung nach bestem Wissen und Gewissen erledigt.“

Für Weber ist der hingegen ein „sonnenklarster Fall“ – und gleichzeitig ein Test für Österreich: „An ihm wird sich endgültig zeigen, was vom Hochschulsystem hierzulande zu halten ist“, meinte Weber. Er ist sich sicher: „Es handelt sich um einen klaren Fall von nachweislicher Täuschungsabsicht.“

ÖBB-CEO Andreas Matthä behauptet, nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet zu haben.APA/ROLAND SCHLAGER

Stefan Weber sieht einen Testfall für Österreichs Hochschulen

Für Stefan Weber veranschauliche der Fall Matthä ein grundsätzliches Problem in Österreich „wie selten ein Fall zuvor“: „Warum wird ein akademischer Großbetrüger Chef von mehr als 40.000 Menschen? – Wenn man jetzt noch sagt, dass da nichts schief läuft in diesem Land, sollte man vielleicht seinen Arzt konsultieren.“

Die Täuschungsabsicht sei „evident, wenn nicht nur abgeschrieben wurde, sondern auch die entsprechenden Quellen nie angegeben wurden, ja mehr noch: wenn immer andere Quellen angegeben wurden, in denen sich die Formulierungen so aber nie finden.“