Steigende Staatsschulden, helfende Zentralbank: Im Corona-Jahr wurde vieles beschleunigt, was schon vorher geschehen ist. Einige bereits hochverschuldete Staaten haben sich während der Pandemie neuerlich sehr hoch verschuldet. Wieder einmal kamen Staatsanleihen als Finanzierungsmittel zum Einsatz, weil die Steuereinnahmen allein diese höheren Ausgaben nicht finanzieren hätten können – und wieder sprang in Folge die Europäische Zentralbank (EZB) ein und griff den hochverschuldeten Staaten ordentlich unter die Arme, indem sie diese Staatsanleihen aufkaufte.

Bereits Ende 2020 hielt die EZB rund 21 Prozent der Schulden im Euroraum. Im Corona-Jahr wurden die Staatsanleihekäufe noch einmal verstärkt. So erwarb die EZB im Jahr 2020 österreichische Papiere in Höhe von rund 80 Prozent der Neuverschuldung, wie eine Berechnung der Agenda Austria zeigt.

In manchen Ländern wurde von der EZB sogar mehr angekauft als die jeweiligen Staaten an Neuverschuldung 2020 aufgenommen hatten. „Das ist deshalb möglich, da die Zentralbank auch die Schulden der vergangenen Jahre kaufen kann. Somit kann die Höhe der neu aufgekauften Schulden in einem Jahr höher als die tatsächliche Neuverschuldung ausfallen“, erklärt Agenda Austria-Ökonomin Heike Lehner. Nachdem sich die EZB vergangene Woche ein neues Preisziel gesetzt hat, wird sie vermutlich auch in Zukunft ein wichtiger Financier der Mitgliedstaaten bleiben.

EZB hat im Jahr 2020 insgesamt 95,5 Prozent der Neuverschuldung im Euroraum aufgekauft

Thomas Mayer, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes, bekräftigt diese Rolle der EZB gegenüber dem eXXpress: „In der Tat hat die EZB 2020 95,5 Prozent der Neuverschuldung im Euroraum aufgekauft. In Italien und Spanien waren es sogar 117 Prozent bzw. 113 Prozent, das heißt die EZB hat über Neuemissionen hinaus Anlegern Titel abgekauft. Man kann daraus entnehmen, dass die monetäre Staatsfinanzierung für den Erhalt des Euro unverzichtbar ist.”

Bei monetärer Staatsfinanzierung erhält ein Staat direkt Geld von der Zentralbank, ohne Gegenleistung. Die Zentralbank vergrößert die Geldmenge und gibt das Geld dem Staat. Punkt. Allerdings ist das Zentralbanken in der Regel untersagt, so auch der EZB. Nicht wenige Ökonomen qualifizieren allerdings die Anleihekäufe durch die EZB als monetäre Staatsfinanzierung. „Rechtlich ist der EZB die monetäre Staatsfinanzierung verboten. Aber Europarecht ist äußerst dehnbar“, unterstrich Thomas Mayer kürzlich in der „Welt“. „Folglich hat sogar die EZB wie andere Zentralbanken auch faktisch die Staatsfinanzierung übernommen – was sie natürlich bestreitet.“

Auch manche Politiker teilen diese Einschätzung, darunter der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler:

„Der Wandel der EZB zur ‚Staatsbank‚ wurde schon 2012 unter EZB-Chef Mario Draghi eingeleitet“

Die Entwicklung hin zur monetären Staatsfinanzierung begann bereits früher, sagt Mayer gegenüber dem eXXpress: „Schon 2012 wurde der Wandel der EZB zur ‚Staatsbank‘ eingeleitet, als Mario Draghi eine Bestandsgarantie für den Euro abgab. Nun steht die EZB fest unter ‚fiskalischer Dominanz‘. In der Vergangenheit hat monetäre Staatsfinanzierung oft zum Verfall des Geldwerts geführt. Für die EZB erschwerend kommt hinzu, dass sie sich um 19 Staaten kümmern muss.“

Mayer arbeitete früher bei Goldman Sachs, Salomon Brothers, dem Internationaler Währungsfonds und beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Ab einer gewissen Höhe führt monetäre Finanzierung staatlicher Haushaltsdefizite immer zu Hyperinflation

Die monetäre Finanzierung hoher staatlicher Haushaltsdefizite muss nicht gleich zu Hyperinflation führen, allerdings wurden alle Hyperinflationen der Vergangenheit auf diesem Weg ausgelöst. Zu diesem Befund gelangt der deutsch-schweizerische Ökonom Peter Bernholz in seinem Buch „Monetary Regimes and Inflation“. Er untersuchte, was früher passierte, wenn Staaten und Notenbanken Geld in eine schwächelnde Wirtschaft pumpten. Das Ergebnis: Zunächst stimuliert die Geldvermehrung die wirtschaftliche Aktivität. Erst zeitverzögert schlägt sich dies auf die Konsumentenpreise nieder. Wenn eine moderate zu einer hohen Inflation wird, leidet darunter nicht nur die Wirtschaft, die Menschen suchen darüber hinaus nach Alternativen zum staatlichen Geld als Mittel zur Wertaufbewahrung – etwa Gold, Aktien, Immobilien, Bitcoin.

Die monetäre Finanzierung hoher staatlicher Haushaltsdefizite in Höhe von 30 oder noch mehr Prozent des Bruttoinlandsprodukts führte in der Vergangenheit immer zu Hyperinflation. Die Folgen von Hyperinflationen waren stets Währungsreformen.