Österreich diskutiert die Steuerreform: Großer Wurf oder kleine Schritte?
Sie gilt als das Prestigeprojekt der türkis-grünen Regierung: Am Sonntag stellten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Eckpunkte zur ökosozialen Steuerreform vor. Die Reaktionen waren gemischt.
Lob für die heute präsentierte Steuerreform kommt von der Wirtschaft. “Nach langen und harten Verhandlungen hat sich am Ende ein vernünftiges Paket für die Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts durchgesetzt”, so Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Vor allem mit der Erhöhung des Gewinnfreibetrags sowie mit der Senkung der Körperschaftssteuer und der Tarifstufen in der Lohn- und Einkommenssteuer wurden langjährige Kammer-Forderungen aufgegriffen, hielt er fest.
Der Wirtschaftsbund sprach von einem “fairen Mix für einen starken Standort” sowie einer “Entlastung der Betriebe und Klimaschutz mit Hausverstand”. Die Industriellenvereinigung betonte, es seien “notwendige Schritte in Richtung Entlastung” gesetzt worden. Mit der schrittweisen Senkung der Körperschaftsteuer auf 23 Prozent bewege sich Österreich in Richtung EU-Durchschnitt und stärke damit den Standort. Dies und der Investitionsfreibetrag seien jedenfalls richtige Maßnahmen, die zur Stärkung von Beschäftigung und Investitionen beitragen, erklärte Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.
Lob kam naturgemäß auch von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). “Mit dem ‘Fairantwortungspaket’ wird der Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig gestärkt”, meinte die Ministerin. Die Steuerreform “vereine Nachhaltigkeit mit Wettbewerbsfähigkeit und heimischen Arbeitsplätzen”. Das ökosoziale Forum sprach von einer “Steuerreform mit Hausverstand”, durch den regionalen Klimabonus werden der ländliche Raum und bäuerliche Familien gestärkt.
Kritik von der SPÖ
Die heute in den Eckpunkten vorgestellte Steuerreform der Regierung ist aus Sicht von SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer weder sozial noch ökologisch: “Die Konzerne und die Bauern können sich auf den Schutz des Spendenkanzlers verlassen. Warum die Grünen dabei mitmachen, ist freilich ein Rätsel”, sagt Krainer.
“Die Tarifsenkung gleicht gerade einmal die kalte Progression für zwei Jahre aus. Das heißt, die ArbeitnehmerInnen zahlen sich das selber. Auf der anderen Seite bekommen die größten Konzerne das größte Stück vom Kuchen. Was soll daran sozial sein?”, sagt Krainer. “Konzerne und große Vermögen tragen immer weniger zur Finanzierung bei, Arbeitnehmer, kleine Selbständige, Pensionisten und Verbraucher immer mehr, diese Schieflage im Steuersystem wird jetzt noch größer.” Die Senkung der Lohnnebenkosten hat übrigens auch einen Preis, sagt Krainer. “Die Rechnung zahlen Arbeitnehmer und Pensionisten in Form von Leistungskürzungen und Sozialabbau.”
NGOs ist der Schritt zu klein
Während noch die Pressekonferenz der Bundesregierung zur Steuerreform am Laufen war, haben sich bereits die ersten Nicht-Regierungsorganisationen zu Wort gemeldet – und Kritik geübt. Der WWF bewertet den Einstieg in die CO2-Bepreisung als wichtigen Schritt, fordert aber einen steileren Preispfad und einen größeren Öko-Bonus. Als “verheerendes Signal” sieht der WWF den erneut verschobenen Abbau umweltschädlicher Subventionen.
Auch dem VCÖ ist der CO2-Preis zu niedrig. Dies bedeute hohe Kosten für Allgemeinheit und künftige Generationen. Die Klimaschäden durch 1.000 kg CO2 betragen laut Umweltbundesamt 201 Euro, erinnerte der VCÖ. Im Regierungspapier sind in einem ersten Schritt 30 Euro pro Tonne vorgesehen.
Greenpeace ortet einen viel zu niedrigen CO2-Preis ohne Lenkungseffekt und fordert ebenfalls das Ende klimaschädlicher Subventionen, wie etwa des Diesel-Privilegs. Die Regierung habe es bei der Steuerreform verabsäumt, Österreich auf Klimakurs zu bringen. “Es ist ein Armutszeugnis, dass es Österreich nicht gelingt, ein deutlich klimafreundlicheres Modell vorzulegen als etwa das konservative Deutschland”, so Greenpeace.
Positive OTS:
— ClaudiaZettel (@ClaudiaZettel) October 3, 2021
Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, Wirtschaftsbund
Negative OTS:
Klimavolksbegehren, Greenpeace, WWF#Steuerreform
KöSt-Senkung kein "Knaller", aber spürbare Entlastung
“Einen ordentlichen Knaller” hatte sich Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer von der Regierung gewünscht und damit eine kräftige Senkung der Unternehmensbesteuerung gemeint. Die heute angekündigten Steuersenkungen fallen moderater aus als von den Unternehmervertretern erhofft, bringen aber dennoch spürbare Entlastungen. Soll soll die Körperschaftsteuer (KöSt) 2023 von derzeit 25 auf zunächst 24 Prozent gesenkt werden und im Jahr darauf auf 23 Prozent.
Den Wunsch der Wirtschaft nach einem Investitionsfreibetrag (inkl. Ökologisierungskomponente) erfüllt die Steuerreform – hier soll es eine Steuerentlastung von insgesamt 350 Mio. Euro geben, wobei eine Deckelung pro Unternehmen vorgesehen ist.
Der ab der Veranlagung 2010 eingeführte Gewinnfreibetrag wird von 13 auf 15 Prozent erhöht. Diesen Freibetrag können alle natürlichen Personen mit betrieblichen Einkunftsarten in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob sie ihren Gewinn mittels Einnahmen-Ausgaben-Rechnung oder Bilanzierung ermittelt.
Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, werden ebenfalls durch die #Steuerreform profitieren: Ein pensioniertes Ehepaar mit durchschnittlicher Nettopension mit mehr als 850€ pro Jahr ab 2022. Gilt nicht nur für Retz 🙂 pic.twitter.com/zX1Zr6qcZA
— Daniel Kosak (@Kosak_Daniel) October 3, 2021
FPÖ spricht von "reiner Mogelpackung"
Kein gutes Haar lässt die FPÖ an der am Sonntag von der Regierung präsentierten Steuerreform. Diese sei “eine reine Mogelpackung zulasten der Bevölkerung” und ein “Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler”, wie FPÖ-Chef Herbert Kickl und Budgetsprecher Hubert Fuchs in einer Aussendung meinten. Auch die SPÖ findet, die Steuerreform sei “weder sozial noch ökologisch”.
Die Mehrkosten für Autofahren und Heizen würden mit dem angekündigten Klimabonus “mit Sicherheit nicht abgedeckt werden”, glauben die Freiheitlichen. “Offensichtlich wollen Türkise und Grüne die Bürger mit dieser Mogelpackung für dumm verkaufen.” Steuern würden das Klima nicht retten können, “sondern nur Anreize mit Hausverstand”, kritisierten Kickl und Fuchs eine “Belastungsmaschinerie von ÖVP und Grünen”.
“Die Konzerne und die Bauern können sich auf den Schutz des Spendenkanzlers verlassen. Warum die Grünen dabei mitmachen, ist freilich ein Rätsel”, urteilte auch SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer eher harsch. Die Tarifsenkung gleiche gerade einmal die kalte Progression für zwei Jahre aus, das zahlten sich die Arbeitnehmer also selbst. Dass ÖVP und Grüne den sogenannten Agrardiesel wieder einführen wollen, sei “nicht ökologisch, sondern die altbekannte türkise Klientelpolitik”.
Zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis zeigte sich dagegen Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), derzeit auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Er sprach auf APA-Anfrage von einer “mutigen Steuerreform, die das Hauptaugenmerk auf den Klimawandel und die Energiewende sowie auf die Entlastung der arbeitenden Menschen in Österreich legt”. Ihm sei es wichtig gewesen, dass insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet und nicht weiter belastet werden, was mit der Reform gewährleistet sei. Eine stärkere Bepreisung von CO2 auf der einen Seite und ein regional abgestufter Klimabonus, der eine Entlastung für alle jene bringe, die auf ihr Fahrzeug angewiesen seien, auf der anderen Seite, sei “der richtige Weg”, so Platter.
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) frohlockte in einer Stellungnahme über die Erhöhung des Familienbonus auf 2000 Euro, der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Norbert Schnedl (FCG) freute sich zudem über die Senkung der zweiten und dritten Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer. (APA/red)
Kommentare
Bei der Lohn/Einkommenssteuer ging es aber eigentlich um die Abstufung der Steuergruppen. Durch die Inflation ist man ja schnell in der höchsten Steuerklasse. Es ist ein gewaltiger Unterschied ab welchem Einkommen man 22, 32 oder 42% Steuern zahlt. Zwei Prozent hingegen fallen kaum auf.
Heute kommt man schon in die 48%-Steuergruppe mit einem Nettoeinkommen eines Sozialhilfeempfängers mit vielen Kindern.
Es müsste eine automatische Anpassung der Steuerstufen geben, die an der Inflation orientiert ist. Das stimmt einfach schon lange nicht mehr.
Wenn ich also eine Tonne CO2 vor die Haustür geliefert bekomme, zahle ich dafür 30 Euro. Und ich steh da mit dem Zeug und weiß nicht, was damit anfangen.
Sodawasser wäre eine Idee.
Weder ein großer Wurf, noch kleine Schritte. Viele Österreicher sind leider dumm genug, darin auch nur irgendeinen Sinn zu sehen. Wer sich Sand in die Augenstreuen lässt, der ist für diese Politik genau der richtige Wähler!
Ja, in der Hauptsache scheint die CO2-Steuer dafür da zu sein, die günstigeren Steuern woanders zu finanzieren. Schaut für mich jedenfalls sehr danach aus.
Die Tarifsenkung gleicht gerade einmal die kalte Progression für zwei Jahre aus:
Aber die Erhöhung der Spritpreise und Energiepreise kommt oben drauf.
Und diese Ankündigungen, dass es übernächstes Jahr eine Senkung von einer Steuer gibt, das höre ich von Kurz schon seit einigen Jahren. Steuer zahle ich trotzdem immer mehr.
Die kalte Progression kann nicht mit den Steuersätzen ausgeglichen werden, sondern nur mit den Stufen für die Steuersätze.
Und mit Gebührenerhöhungen a la GIS beim ORF greift Basti himself alles wieder ab.
Sozialversicherung kann er auch nicht – siehe Patientenmilliarde – und jetzt werden Beiträge gesenkt, damit sie komplett ausgehungert wird.