Obwohl der Untersuchungsausschuss zum “Wien Energie”-Skandal maximal intransparent verlaufen ist, sei doch einiges sichtbar geworden – und das war “unfassbar”, wie Karl Mahrer, der Chef der ÖVP Wien, am Dienstag unterstreicht. “Es zeigt, was falsch läuft, und geändert werden muss.“

Mit sarkastischen Worten fasst ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch Ergebnisse des Untersuchungsausschuss zusammen. Besonders schlecht kommt Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) weg. Zunächst hat er offensichtlich den “Wien Energie”-Skandal so lange wie möglich vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten, danach über seinen tatsächlichen Wissensstand im Gemeinderat gelogen und schließlich habe nichts von seinen Handydaten vorgelegt, obwohl er das anfangs zugesagt hatte.

Ludwig hat sich nie um Transparenz gekümmert, sagt die ÖVP

Michael Ludwig muss schon zu Jahresbeginn von Engpässen gewusst haben

“Michael Ludwig war informiert und involviert”, sagt Wölbitsch. Seine Behauptung, von Höhe und Dringlichkeit der Finanzengpässe bei Wien Energie erst am 15. Juli 2022 erfahren zu haben, habe sich als falsch herausgestellt. Den Zeitpunkt, ab dem er davon wusste, wurde immer weiter nach vorne verlegt, bis schließlich deutlich wurde: Ludwig wisste seit Jahresbeginn Bescheid, auch wenn er das immer wieder abgestritten hat. Dass ihn der Finanzstadtrat kein einziges Mal informiert hat, sei kaum glaubhaft. Somit habe Ludwig “im Gemeinderat die Unwahrheit gesagt”.

Der Notfall habe darüber hinaus die Notkompetenz, von der Michael Ludwig Mitte Juli Gebrauch gemacht hat, nicht in diesem Ausmaß gerechtfertigt. Bemerkenswert ist, dass der Kreditrahmen erst Wochen später, im August, unterzeichnet wurde. Offenbar wollte Ludwig “möglichst lange verhindern, dass die Situation bei der Wien Energie und die Liquiditätsengpässe öffentlich bekannt werden”.

Mahrer: "Nicht einmal das Bemühen um Transparenz war sichtbar"

Zur Aufklärung hätten die Betroffenen kaum beigetragen. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) habe nur jene Beweise mitgenommen, die er selbst für relevant hielt. Die zuständige Magistratsabteilung stellte fest, weshalb sie sämtliche Unterlagen für nicht relevant hielt. Die Untersuchungskommission sei ein Instrument, das “SPÖ und NEOS stumpf gemacht haben”. Das alles sei “der Demokratie in dieser Stadt unwürdig”.

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) entschied selbst, welche Unterlagen relevant sind.APA/ROLAND SCHLAGER

Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer unterstrich: “Wir wollten immer einen konstruktiven Weg gehen, auch in der Untersuchungskommission, und hier einen Gegensatz zu den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen im Nationalrat setzen.” Fazit: “Der angekündigte Umgang mit Transparenz war so transparent, dass selbst das Bemühen kaum sichtbar war.” Gleichzeitig sei aber eine Vielzahl an Widersprüchen zutage getreten. Hier zeige sich ein “bemerkenswertes Selbstverständnis der Wiener SPÖ: Sie betrachtet Wien als ihr Eigentum, sowohl gegenüber den Menschen, als auch gegenüber sich selbst und gegenüber dem Koalitionspartner.”

NEOS-Vizebürgermeister Wiederkehr hat nie nachgefragt: "Selbstaufgabe der Transparenzpartei"

Vieles wurde trotz Energiekrise nie in Frage gestellt, etwa das Trading-Modell oder der Abstand der Berichtspflichten. Massiver Nachschärfungsbedarf besteht beim Beteiligungsmanagement. Dramatisch sei das “nicht vorhandene Risikomanagement“.

Desaströs sei auch das Handeln des pinken Vizebürgermeisters Wiederkehr gewesen. Christoph Wiederkehr (NEOS) hat sich in den Sommermonaten, obwohl über den Notfallkredit informiert, selbst kein Bild gemacht: “Er hat niemanden angerufen, nicht den Finanzstadtrat, niemanden bei Wien Energie, er hat nie das Gespräch mit den zuständigen Personen beim Koalitionspartner gesucht.” Dies sei die “Selbstaufgabe der Transparenzpartei”.

Der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) hat mit niemandem geredet, obwohl er von der Verwendung des Notfallkredits wussteAPA/ROBERT JAEGER

Dramatisch war am Ende die Notlage. Wien Energie selbst räumte ein: Wir könnten unsere Verpflichtungen gegenüber den Kunden womöglich nicht mehr einhalten. Es drohen Versorgungsengpässe für den Winter.

Professionalisierung nötig: Aufsichtsräte sollen kompetent und unabhängig sein

Nun will die Wiener Volkspartei allerdings die Untersuchungskommission nicht weiterführen – so wie es etwa im Nationalrat geschieht, begleitet von Rücktrittsanträgen. “All das nützt den Menschen nichts”, sagt Mahrer. “Wir wissen jetzt genug: Wir wollen dieses Instrument nicht so wie im Nationalrat üblich strapazieren.” Entscheidend seien jetzt die nötigen Reformen, “damit so etwas nicht mehr passiert”.

Mahrer nennt mehrere Punkte. Erstens brauche es eine Professionalisierung des Beteiligungsmanagements der Stadt Wien. Nur weil das gefehlt habe, konnte die Causa Wien Energie überhaupt so dramatisch werden. Man sollte auch grundsätzliche Überlegungen über die Einrichtung der Beteiligungsholding anstellen.

Für die Aufsichtsrat-Mitglieder brauche es künftig ein professionelles Auswahlverfahren. Wichtig sei auch Fachexpertise aus internationaler Branchen. Fakt ist: Beim Aufsichtsrat müssten künftig fachliche Kompetenz und die Möglichkeit zu unabhängiger Kontrolle im Vordergrund stehen. Bisher kontrollieren die Stadtwerke nämlich sich selbst. “Es gibt keinen unabhängigen Aufsichtsrat. Dabei sollten sie inhaltliche Kontrolle und Expertise beisteuern”.

Nutzung der Notkompetenz darf nicht mehr geheim bleiben

Notkompetenz durch den Bürgermeister sei im Sommer zu Unrecht erfolgt. Hier brauche es Nachschärfungen zwecks Transparenz. Dass monatelang die Freigabe von mehreren hundert Millionen Euro geheim gehalten wird, könne auch nicht sein. “Warum kann nicht der Stadtsenat diese Notkompetenz treffen?” Sollte es der Bürgermeister tun, müsste er innerhalb von 24 Stunden über deren Inhalt informieren.

Es brauche auch eine Adaptierung des Geschäftsmodells der Wien Energie. “Diese Geschäfte haben zurzeit ein unbegrenzt hohes Risiko. Das Geschäftsmodell wurde einfach fortgesetzt, und gleichzeitig immer mehr Geld zur Verfügung gestellt. Künftig darf es bei Termingeschäften nach oben keine offenen Risiken geben.”

Diese seien einige der wesentlichen Ableitungen aus den Erkenntnissen der Untersuchungskommission. Mahrer hofft, dass sie die anderen Fraktionen aufnehmen. Man werde auf jeden Fall das Thema Wien Energie sehr genau weiter beobachten. “Wir wissen heute noch immer nicht, ob das Geschäftsmodelle verändert wurde oder verändert wird. Das ist ein Zustand, der untragbar ist.” Und: “Wien Energie ist nur ein Teil des Systems der SPÖ Wien.”