Annalena Baerbock griff die Kritik mehrerer EU-Diplomaten auf, die der ungarischen Regierung von Premier Viktor Orbán Erpressung vorwerfen. Gegen Ungarn ist von Seiten der EU derzeit ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren anhängig. Der Vorwurf gegen Budapest: Geld aus dem EU-Haushalt sei in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt. Sollte Ungarn die Auflagen Brüssels bis zum 19. November nicht erfüllen, droht dem Land der Verlust von diversen EU-Fördergeldern in Höhe von bis zu 13 Milliarden Euro.

Doch zurück zur Finanzhilfe für die Ukraine. Die EU-Kommission legte auf Initiative von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch ein 18-Milliarden-Euro-Hilfspaket vor, um dabei zu helfen, die Wirtschaft und öffentliche Verwaltung der kriegsversehrten Ukraine im kommenden Jahr über Wasser zu halten. Außerdem soll mit dem Geld die Energie-Infrastruktur wiederhergestellt werden, die durch russische Raketen- und Kamikaze-Drohnenangriffe zerstört worden ist.

Ungarn schert aus der EU-Hilfs-Allianz für Ukraine aus

Am Mittwoch kam es allerdings zu einem Knalleffekt. Denn bei einem ebenfalls am Mittwoch stattgefundenen Treffen der EU-Botschafter, erklärte Ungarn, es könne das Hilfspaket für die Ukraine „nicht unterstützen“. Das würde jedoch bedeuten, dass die 18 Milliarden Euro schwere Finanzspritze für die Ukraine nicht fließen würde. Hilfsgelder für die Ukraine müssen aufgrund der EU-Haushaltsregeln von allen 27 EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden.

Das Nein Ungarns hat in Brüssel, Berlin und anderen EU-Hauptstädten für reichlich Unmut gesorgt. Viele sehen darin eine Erpressungstaktik Orbáns und seiner Regierung, um Druck zur Freigabe der mehr als 13 Milliarden Euro an EU-Fördergeldern zu erzeugen, die Brüssel gegenüber Ungarn zurückhält.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wittert bei Ungarn ErpressungJohn Macdougall / Pool / AFP

Laut Baerbock greift Ungarn in die Trickkiste

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wetterte: Ungarn versuche, die EU mit Gewalt zu Zugeständnissen im Rechtsstaatlichkeitsstreit zu bewegen. Und sie machte deutlich: Die finanzielle und humanitäre Unterstützung für die Ukraine sei „keine normale europäische Angelegenheit“, bei der man „pokert“ und Kuhhandel betreibt.

“Wir sind in einer Situation, in der wir mit der Finanzhilfe aus Europa gerade Leben retten“, sagte Baerbock. „Wir sehen, dass mindestens 30 Prozent, wenn nicht sogar 40 Prozent der zivilen Infrastruktur in der Ukraine zerstört sind“, fügte sie hinzu und argumentierte, dass das EU-Hilfspaket schnell genehmigt werden müsse, weil der Winter vor der Tür stehe.

Derweil rechtfertigte Ungarns Finanzminister Mihály Varga die ungarische Ablehnung des Ukraine-Hilfspakets so: „Ungarn ist bereit, die Ukraine zu unterstützen, aber wir lehnen einen neuen milliardenschweren Kredit ab, der von der EU aufgenommen werden soll.“