Das russische Eiskunstlauf-Wunder Walijewa wurde bei den russischen Meisterschaften Ende Dezember positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet. Der Befund war jedoch erst während der Winterspiele in Peking bekannt geworden. Die CAS-Richter entschieden mit Blick auf das Alter (15) und die unzureichende Beweislage, ihr dennoch die Starterlaubnis für die Frauen-Wettbewerbe zu erteilen.

Der Fall nahm in der Folge immer kuriosere Ausmaße an. Ihre Anwälte behaupteten in der Anhörung beim Internationalen Sportgerichtshof, dass die Eiskunstläuferin aus einem Glas getrunken haben könne, das zuvor ihr Großvater genutzt habe. Die verbotene Substanz könne durch eine Speichelübertragung in ihren Körper gelangt sein.

Im Gespräch mit dem eXXpress hat der Pharmakologe der MedUni Wien Karlheinz Hilber über diese Causa gesprochen.

 

Was ist Trimetazidin eigentlich für ein Mittel?

Trimetazidin ist ein Wirkstoff, der in einem Herzmedikament (in Österreich: Vastarel-Tabletten) enthalten ist. Es wird zur Behandlung der koronaren Herzerkrankung (Angina Pectoris) verwendet. Durch Beeinflussung des zellulären Stoffwechsels hat Trimetazidin eine kardio-protektive Wirkung: der Wirkstoff hemmt die Fettsäureverwertung und fördert den Glucoseverbrauch. Dies hat einen verringerten Sauerstoffverbrauch im Gewebe zur Folge, was besonders schlecht mit Sauerstoff versorgte Herzareale schützt, weil der Energiestoffwechsel aufrechterhalten werden kann. Trimetazidin wird auch als Dopingmittel verwendet und steht auf der Liste der verbotenen Substanzen der World Anti Doping Agency (WADA).

Ab wann bzw. ab welcher Menge wirkt es leistungssteigernd?

Trimetazidin wird ein leistungssteigernder Effekt im Sport nachgesagt. Dies ist dadurch erklärbar, dass auch unter hoher Belastung im Muskel und Herzmuskel eine ausreichende Energieversorgung dieser Gewebe gewährleistet bleibt. Das fördert die Ausdauerleistung und ermöglicht unter Umständen ein intensiveres Training. Leistungssteigernde Effekte sind in Dosierungen zu erwarten, welche auch bei medizinischer Anwendung als Herzmedikament verabreicht werden (60-70 mg/Tag).

Die Anwälte von Walijewa behaupten, dass es zu einer Verunreinigung mit einem anderen Produkt gekommen sei, dass ihr Großvater genommen hat. Sie hat aus einem Glas getrunken, dass zuvor ihr Großvater genommen hat. Ist das möglich beziehungsweise ein realistisches Szenario?

Meiner Meinung nach ist das ein sehr unrealistisches Szenario. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Substanzspuren, welche durch den behaupteten Vorgang aufgenommen worden sein könnten, eine positive Dopingprobe ergeben würden.

Walijewa hat die Nutzung von Hypoxen und L-Carnitin auf dem Anmeldeformular vor einer Dopingkontrolle angegeben. Was ist Hypoxen und L-Carnitin?

Hypoxen ist ein synthetischer Arzneistoff, welcher Gewebe vor den Folgen von Sauerstoffmangel schützt; es beeinflusst den Zellstoffwechsel bei nicht ausreichend geklärtem Wirkmechanismus. L-Carnitin ist eine vitaminähnliche Substanz, die aus den beiden Aminosäuren Methionin und Lysin gebildet wird, und im menschlichen Körper im Fettstoffwechsel eine Rolle spielt. Sportler führen L-Carnitin gerne über Nahrungsergänzungsmittel zu.

Sollte man in diesem Fall noch weitere Doping-Proben von Walijewa auswerten?

Ja- weitere Dopingproben sollten ausgewertet werden! Dopingproben werden routinemäßig langfristig für etwaige Nachuntersuchungen aufbewahrt; mit neuesten analytischen Methoden sollte illegale Substanzeinnahme noch sensitiver nachweisbar sein.

Welche neuen analytischen Methoden gibt es heutzutage, um Doping nachzuweisen?

Analytische Methoden sind Gas-Chromatographie, Massenspektrometrie, Flüssigkeits-Chromatographie, UV-Detektion, Stickstoffspezifische Detektion, und Enzym/Immuno-Assays.  Diese werden ständig verfeinert und können auch kombiniert angewandt werden. Ein interessanter relativ neuer Ansatz ist die sogenannte Metabolomanalyse. Das Metabolom bezeichnet die Gesamtheit der niedermolekularen stoffwechselaktiven Bestandteile bzw. Metabolite eines biologischen Systems (Zelle, Gewebe, Organ oder biologische Flüssigkeit). Hier kann zum Dopingnachweis zwischen Substanzen, die vom biologischen System selbst produziert, oder von außen zugeführt wurden, unterschieden werden.