„So sind wir nicht, so ist Österreich einfach nicht, aber das müssen wir alle gemeinsam beweisen. Den Politikern wird dabei eine besondere Rolle zukommen”, mahnte Alexander Van der Bellen im Mai 2019. Jetzt, im Februar 2022, hätte der Bundespräsident erneut die Möglichkeit, die Einhaltung dieser berechtigten Ansprüche der Österreicher durchzusetzen und ganz genau hinzusehen: Immerhin steht eine Parteikollegin des Staatschefs unter dem dringenden Verdacht, sich ihren Doktortitel erschwindelt zu haben – so veröffentlichte der eXXpress ein neues, 44-seitiges Gutachten zur Dissertation von Alma Zadic (Grüne), inklusive einer vernichtenden Bewertung der wissenschaftlichen Leistung der Juristin.

Der Staatschef sagte im Mai 2019 auch, Politiker seien dazu gewählt, anständig zu entscheiden, was korrekt ist, und sie sollten Vorbild sein, nicht nur vor den Kameras. Die Arbeitsweise der jetzigen Justizministerin an ihrer 2017 abgelieferten Dissertation sei aber alles andere als vorbildlich, meint jetzt ein Team aus Plagiats-Gutachtern und auch der deutsche Plagiats-Experte Martin Heidingsfelder.

Der eXXpress hat das gesamte Gutachten zu der Plagiats-Affäre

Heidingsfelder: "Wenn sie Charakter hat, tritt sie zurück."

In der nur 220 Seiten starken Doktorarbeit von Alma Zadic (38) hätten sich nicht weniger als 73 Plagiats-Stellen gefunden, recherchierten die Experten einer österreichischen Universität. Plagiats-Gutachter Martin Heidingsfelder sah sich deren Arbeit genau an und meinte dann: “Zadic ist ein klares Plagiat, die Dissertation dürfte wissenschaftlich keinen Bestand haben. Wenn sie Charakter hat, dann tritt sie nach eigener Analyse ihrer Fehler zurück, ansonsten vertraut sie auf Mitleid und die Wähler.”

Auch die anderen vier Plagiats-Experten kritisieren sehr hart die Arbeit von Zadic (“Transitional Justice in Former Yugoslavia. The Influence of the ICTY on the development of the rule of law in Bosnia an Herzegovina, Croatia an Serbia”): “Hätte die Verfasserin der Dissertation wirklich alle Stellen, an denen sie Gedanken in Form von Wortketten aus der Literatur bezogen hat, mit Quellen belegt, hätte fast jeder Satz der Arbeit eine Fußnote erhalten müssen. Dann aber wäre das Kriterium der Selbstständigkeit der Dissertation wohl nicht mehr erfüllt gewesen. Diesem Kriterium kann man schwerlich genügen, indem man fast ausnahmslos oder sogar ausschließlich bereits publizierte Sätze umschreibt.”

Kritisiert die Doktorarbeit von Zadic scharf: Martin Heidingsfelder

Van der Bellen sollte in dem Fall für Klarheit sorgen

Die Frage, die sich jetzt viele Österreicher stellen: Wie lange will sich Zadic jetzt noch, nach der Bestätigung des bereits im Jänner aufgeflogenen Skandals, als Ministerin halten? Kann eine Juristin, die weite Strecken ihrer Doktorarbeit von anderen Rechtswissenschaftlern abgeschrieben hat und damit – vermutlich – einen Titel erschummeln konnte, ausgerechnet das Justizressort leiten? Muss in diesem Spannungsfeld zwischen Ankläger und Tatverdächtigen nicht eine besonders untadelige Person über jeden Verdacht erhaben sein?

Diese Fragen muss nun auch Alexander Van der Bellen für sich beantworten – und (so wie schon sehr oft) wieder korrekt handeln. Ohne Rücksichtnahme auf die Parteizugehörigkeit der Ministerin.

Alma Zadic hat bisher gegenüber dem eXXpress jede Stellungnahme zu den aktuellen Vorwürfen verweigert. Auch Dutzende eXXpress-Leser kritisieren dieses Verhalten scharf, die Politikerin wirke “abgehoben” und sei “alles andere als bürgernah”.

Lesen Sie hier, was die eXXpress-Leser zum “Fall Zadic” sagen.

Nur ein Beispiel aus der Dissertation von Zadic: Die gelb markierten Stellen seien Plagiate, meinen die Gutachter.

Sollte der Bundespräsident im Fall Zadic ein Machtwort sprechen?

Will die Plagiats-Affäre mit Schweigen durchtauchen: Justizministerin Alma Zadic (Grüne)