2,2 Millionen Überstunden: Wiener Polizei völlig überfordert
Die Überforderung bezieht sich nicht auf die Leistung der Polizisten – im Gegenteil. Es geht um die Quantität. Die Beamten werden verheizt, 2,2 Millionen Überstunden allein in Wien sprechen Bände. Das muss sich dringend ändern. Allein heuer sollen in der Bundeshauptstadt 1000 neue Polizeibeamte rekrutiert werden.
Jedes Wochenende gibt es mindestens eine mehr oder weniger sinnvolle Ring-Demo mit einer verstopften Innenstadt, zusätzlich heftig umstrittene Straßenblockaden durch Klima-Aktivisten, durchgehende Objektbewachung von Botschaften, die kein Mensch kennt, und Schutz von Fußballfans vor angetrunkenen Krawallmachern in den Stadien. Neben ihrem eigentlichen Exekutivdienst müssen Polizeibeamte für alles Mögliche ihren Kopf hinhalten. Das summiert sich auf 2,28 Millionen Überstunden allein im vergangenen Jahr.
„Die Wiener Polizei hat zahlreiche personalintensive Herausforderungen zu bewältigen, darunter Aktivisten, die Straßen blockieren, sowie rund 11.000 angezeigte Veranstaltungen und Versammlungen im vergangenen Jahr“, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich gegenüber „Wien heute“. Auch die Demos im Zusammenhang mit den Ereignissen in Israel und Gaza haben die Überstunden nach oben getrieben, genauso wie die erhöhte Terrorwarnstufe.
Im Vorjahr gingen allein in Wien 224 Polizisten in den Ruhestand
Das Problem ist nicht neu, und offenbar wurde viel zu lange viel zu wenig gegen die Personalmisere bei der Polizei unternommen. Schon 2018 lief die Belastung für die Polizisten völlig aus dem Ruder; damals leisteten sie sogar 2,34 Millionen Überstunden. In der Pandemie ging die Zahl bis auf 1,78 Millionen zurück, seit Ende steigt sie wieder deutlich an.
Immerhin: Inzwischen scheinen Innenministerium und Landespolizeidirektion den Ernst der Lage erkannt zu haben. Es wurde eine große Personaloffensive gestartet, um neue Polizeischüler anzuwerben. In Wien wurde in der Leopoldstadt ein Recruitingcenter eröffnet, und Anfang des Jahres öffnete auch ein eigener Info-Store am Schottenring.
Das zahlt sich aus: Die Bewerberzahlen sind in Wien zuletzt um fast die Hälfte gestiegen, bei den tatsächlichen Neuaufnahmen hapert es aber noch. 2020 gab es 456 Neuaufnahmen in Wien, 2021 waren es 522, 349 im Jahr 2022. Im Vorjahr waren es 415. Für dieses Jahr hat das Innenministerium ambitionierte Ziele: „Es ist geplant, im Jahr 2024 in Wien insgesamt 1000 neue Polizisten aufzunehmen“, heißt es aus dem Innenministerium. Das ist auch dringend nötig, denn allein in Wien sind im Vorjahr 224 Beamte in den Ruhestand gegangen.
ÖVP-Polizeigewerkschafter für weniger Streifendienst
Um Überstunden zu reduzieren, hat die Polizei auch Inspektionen in der Nacht geschlossen: Seit Oktober sind in Wien nur noch 29 von 81 Inspektionen im Nachtbetrieb – der eXXpress berichtete. Als weitere Maßnahme zum Überstundenabbau soll im Dezember auch eine eigene Objektschutzpolizei starten, die dann zum Beispiel Botschaften bewacht.
Der ÖVP-nahe Gewerkschafter Gerhard Zauner von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter bezeichnet die aktuelle Situation als “für viele Kolleginnen und Kollegen sozial nicht mehr verträglich. Wir sind momentan bei einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Belastung pro Monat von 55 bis 60 Stunden. In Einzelfällen sind es auch hundert“, sagte Zauner.
Der Polizeigewerkschafter ließ mit einem überraschenden Vorschlag gegenüber “Wien heute” aufhorchen. Zauner: “Man muss sich vielleicht doch überlegen, ob alle Streifendienste in der Anzahl, wie sie derzeit durchgeführt werden, möglich sind. Das ist aus meiner Sicht durchaus möglich, ohne die Sicherheit in der Stadt zu gefährden.“
Auch der SPÖ-nahe Gewerkschafter Walter Strallhofer von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen begrüßt die Personaloffensive. Es müsse sich etwas ändern, “die Drop-out-Zahlen werden von Jahr zu Jahr höher, weil die Kollegen nicht mehr bereit sind, derart viele Überstunden zu machen”, sagt er.
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