Als EU-Botschafter in Wien leistete der Diplomat mit seiner umgänglichen Art und professioneller Informationspolitik einen entscheidenden Beitrag, um die österreichische Öffentlichkeit beim Beitrittsreferendum zu überzeugen, mit Ja zu stimmen. Trotz anfänglicher Zweifel.

Monatelang reiste der gebürtige Friulaner 1994 durch Österreich und bestritt Diskussion um Diskussion. Dabei stellte er auf sachliche und nicht-bürokratische Weise die Vorteile des EU-Beitritts vor. “Es war eine unglaublich spannende Referendumskampagne. Als sie begann, waren nur ein Drittel der Österreicher für den EU-Beitritt. Bei der Volksabstimmung im Juni 1994 haben dann mehr als 66 Prozent für die EU gestimmt. Das war das zweitbeste Ergebnis bei einem Beitrittsreferendum nach jenem Irlands im Jahr 1972. Über diesen Zuspruch waren wir damals selbst überrascht, und wir haben ihn als historisches Resultat gefeiert”, erinnert sich der heute 84-jährige Pirzio-Biroli im Gespräch mit der APA.

Höchster Wert im Burgenland

In Österreich herrschte zum Zeitpunkt der Beitrittsverhandlungen und vor der Volksabstimmung eine politische Aufbruchsstimmung und eine Diskussionslust, die seither nicht mehr erreicht wurde. Das beste Ergebnis wurde in Draßburg im Bezirk Mattersburg gefeiert. Damals stimmten 86,5 Prozent der Bewohner für den EU-Beitritt – das war der höchste Wert in ganz Österreich. Pirzio Biroli und der damalige Landeshauptmann Karl Stix (SPÖ) überreichten Bürgermeister Alfred Wukovits im Zuge eines großen Festaktes eine Ehrenurkunde.

Was für den klaren Ausgang entscheidend gewesen sein mag? “Anfang hatte ich mehrfach Zweifel, dass die Österreicher überhaupt mit Ja stimmen würden. Doch dann hat das Argument, dass Österreich im Zentrum Europas liegt und von dem EU-Beitritt viele Vorteile für die Wirtschaft haben würde, die Oberhand gewonnen. Bei meinen Ansprachen habe ich immer wieder den EU-Beitritt als riesige geopolitische Chance für das neutrale Österreich dargestellt”, meint der in Brüssel lebende Ex-Diplomat, der in seiner Karriere unter anderem Chef der EU-Delegation in den USA und Kabinettschef des seinerzeitigen EU-Kommissars Franz Fischler war.

„Mock war heldenhaft"

Auch die Tatsache, dass bei den Bemühungen um den Weg Österreichs in die Europäische Union SPÖ- und ÖVP-Spitzenvertreter weitgehend ohne Differenzen an einem Strang zogen, habe zum Erfolg beigetragen. Wichtig sei auch Alois Mocks (ÖVP) unermüdlicher Einsatz für den Beitritt gewesen. “Mock war einfach heldenhaft: Obwohl er damals schon krank war, hat er sich bei der Kampagne für das ‘Ja’ zum Beitritt keineswegs geschont”, erinnert sich Pirzio-Biroli.

Dass die EU ihn als Botschafter nach Wien entsendet habe, um die EU-Beitrittskampagne zu führen, sei kein Zufall gewesen. “Die EU suchte eine Person mit Deutschkenntnissen, aber keinen Deutschen. So ist die Wahl auf einen gebürtigen Friulaner gefallen, der eine Brücke zwischen Brüssel und Wien, zwischen Italien und Österreich hätte schlagen können. Wegen meiner Wurzeln nannte mich Alois Mock scherzhaft ‘der Altösterreicher'”, erzählt Pirzio-Biroli, der 1971 in den Dienst der Europäischen Kommission gekommen war. 1994 veröffentlichte er im Grazer Styria Verlag sein Buch mit dem vielsagenden Titel “Vision Europa”.

Illegale Migration in den Griff bekommen

Obwohl sich derzeit viele kritische Stimmen gegen die EU erheben, betrachtet der Italiener Österreichs EU-Beitritt als Erfolgsgeschichte. Das Land habe von der EU wirtschaftlich profitiert und sei offener geworden. Dies bezeuge auch die Tatsache, dass der antieuropäische Rechtspopulismus in Österreich nicht so stark verwurzelt sei wie in den Nachbarländern Ungarn und Slowakei.

Damit die antieuropäische Stimmung in Österreich nicht zunehme, müsse Brüssel die heikle Frage der illegalen Migration in den Griff bekommen, meint Pirzio-Biroli. “Leider ist die Politik kurzsichtig, sie versucht, die unmittelbaren Probleme zu lösen. Es fehlt ihr an Weitsicht. Vor allem in Sachen Einwanderung ist es wichtig, dass alle EU-Mitglieder zusammen tragbare Lösungen entwickeln”, betonte der Italiener.

Trotz seines Ruhestandsalteres hat Pirzio-Biroli seine Kontakte zu Österreich nicht verloren. “Ich bin immer wieder gern in Wien, unter anderem beim Opernball. Ich pflege Kontakte zu den österreichischen Parlamentariern. Mit Franz Fischler verbindet mich immer noch eine enge Freundschaft. Wir verbringen auch den Urlaub zusammen”, sagt der Diplomat. (APA/red)