45 Tage Sondierungsgespräche: Nehammer lässt weiter auf Koalitionsverhandlungen warten
ÖVP, SPÖ und Neos loten weiter die Zusammenarbeit aus, doch ein Regierungsprogramm bleibt vorerst aus. Während die Geduld der Wähler schwindet, zeigt ein Blick in die Geschichte: Die Verhandlungen liegen im Zeitrahmen.
Die Austro-Ampel ist fixiert, allerdings laufen nach wie vor Sondierungsgespräche und keine Koalitionsverhandlungen. Das heißt, es wird nach wie vor besprochen, wie eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP, SPÖ und Neos aussehen könnte; ein konkretes Regierungsprogramm wird noch nicht ausgearbeitet – das wäre dann die Koalitionsverhandlung. Im Bundesverfassungs-Gesetz ist kein verpflichtender Zeitpunkt, bis zu dem eine neue Regierung feststehen muss, festgelegt.
Während sich bei den Wählern Unmut über die lange Sondierungsphase breitmacht, zeigt ein Blick auf die vorhergegangenen Regierungsbildungen, dass Bundeskanzler Karl Nehammer mit seinen Gesprächen durchaus in der Zeit liegt.
Regierungsbildungen dauern im Durchschnitt 61 Tage
Absoluten Rekord stellten SPÖ und FPÖ mit ihrer Koalitionsbildung 1983 auf: Ganze sechs Tage wurde zwischen Fred Sinowatz (SPÖ) und Norbert Steger (FPÖ) eine Regierung vereinbart, die vom 24. Mai 1983 bis 16. Juni 1986 im Amt war. Sechs Tage sind allerdings alles andere als die Norm, die liegt bei durchschnittlich 61 Tagen.
Das andere Extrem der Regierungsbildung fand nach der Wahl 1962 statt: Alfons Gorbach (ÖVP) und Bruno Pittermann (SPÖ) brauchten 129 Tage von der Wahl bis zur Angelobung. Auf Platz Zwei liegt die ‚Schüssel 1-Regierung‘. Bei der Wahl am 3. Oktober 1999 fiel die ÖVP knapp hinter der FPÖ auf den dritten Platz zurück, die SPÖ unter Viktor Klima erhielt den Auftrag zur Regierungsbildung. Nach unzähligen Gesprächsrunden und Verhandlungen über die Ministerliste kündigt die SPÖ Ende Jänner 2000 das Koalitionsabkommen mit der ÖVP auf. Danach kommt es zur ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der bei der Nationalratswahl lediglich Dritter wurde.
Für die darauffolgende Koalition im Jahr 2003 verhandelte Schüssel 96 Tage bis eine Koalition mit der FPÖ angelobt werden konnte. Diese Regierung endete übrigens am 11. Jänner 2007 nicht als ÖVP-FPÖ-Regierung, sondern als ÖVP-BZÖ-Koalition: Die FPÖ hatte sich in der Regierungszeit geteilt, FPÖ-Chef Jörg Haider gründete nach zermürbenden und langwierigen Richtungsstreitereien das “Bündnis Zukunft Österreich“.
Interessant: Auch die Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2017 dauerte 64 Tage, und das trotz der grundsätzlichen Übereinstimmungen von Themen und Prioritäten zwischen den Chefverhandlern Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.
Seit der Nationalratswahl am 29. September 2024 sind bereits 45 Tage vergangen. Wenn Karl Nehammer nun zügig mit seinen Sondierungsgesprächen vorankommt und nächste Woche wie angekündigt tatsächlich mit den Koalitionsverhandlungen mit SPÖ und Neos begonnen wird, wäre eine Angelobung der neuen Regierung Anfang 2025 in Sicht.
Ob man sich angesichts der extrem unterschiedlichen Weltanschauungen finden wird oder ob die aktuellen Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ wie 1999 ohne Einigung enden werden, bleibt abzuwarten. In der ÖVP ist man offenbar von einer stabilen Koalition mit den Sozialdemokraten überzeugt. So ließ ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer heute verlauten, dass „die künftige Bundesregierung eine Politik der Mitte vertreten wird, die auf Vernunft und Rechtstaatlichkeit und nicht auf militante Ideologieversessenheit setzt.“ Hoffentlich sieht das der bekennende Marxist Andreas Babler ebenso.
Kommentare