
Abschiebung krimineller Migranten kaum möglich – dennoch: SPÖ verteidigt EGMR
SPÖ-Mandatarin Petra Bayr kritisiert Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) – weil er gemeinsam mit acht EU-Staatschefs eine erleichterte Abschiebung krimineller Migranten fordert. Das richtet sich direkt gegen die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Einige EGMR-Urteile sind tatsächlich hochbrisant.

Immer öfter dürfen kriminelle Migranten in Europa nicht abgeschoben werden – selbst bei Gewaltdelikten, Terrorverdacht oder Wiederholungstaten. Der Grund: die Rechtsprechung des EGMR, der sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) stützt.
Neun EU-Staaten fordern daher mehr nationalen Spielraum und eine Kurskorrektur – der exxpress berichtete. Doch aus der SPÖ kommt scharfer Widerstand.
SPÖ schlägt Alarm
Bayr warnt vor Druck auf den Gerichtshof. Die SPÖ-Politikerin und Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat nannte den Vorstoß Stockers „sehr problematisch“. Man dürfe zwar über Rechtsprechung diskutieren, „aber nicht öffentlich“. Die Auslegung der EMRK sei allein dem EGMR vorbehalten. Stockers Vorgehen würde „in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminieren“.
Doch der Druck wächst. Die Zahl der umstrittenen Urteile steigt – und mit ihr die Kritik. Großbritannien denkt längst laut über den Ausstieg aus der EMRK nach. Für die frühere ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ist die Konvention schlicht „aus der Zeit gefallen“.

Zwei Artikel im Fokus
Im Kern geht es um zwei Artikel der EMRK, deren Auslegung durch den EGMR weitreichende Folgen für ganz Europa hatte:
Artikel 3 (Folterverbot): Niemand darf abgeschoben werden, wenn ihm im Zielland Folter, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe droht – selbst bei Terrorverdacht oder schwerer Kriminalität.

Artikel 8 (Recht auf Familienleben): Auch vorbestrafte Ausländer dürfen nicht ausgewiesen werden, wenn sie familiär „verwurzelt“ sind – selbst bei Wiederholungstätern. Diese Auslegung ermöglicht auch das Recht auf Familienzusammenführung, das erhebliche Auswirkungen auf Österreich hatte.

Urteile, die unsere Sicherheit gefährden?
Mehrere Urteile sorgten für internationale Aufmerksamkeit:
1996: Ein islamistischer Extremist durfte nicht aus Großbritannien nach Indien abgeschoben werden – wegen möglicher Folter.
2008: Ein Terrorverdächtiger wurde vor der Abschiebung von Italien nach Tunesien geschützt – wegen drohender Misshandlung.
2008: Ein mehrfach vorbestrafter junger Bulgare durfte trotz zahlreicher Delikte in Österreich bleiben – weil er hier aufgewachsen war.
2014: Eine Familie durfte nicht von der Schweiz nach Italien zurückgeschoben werden – die Unterkunft sei dort nicht ausreichend garantiert.
Die Kritik an solchen Urteilen ist deutlich: Sie seien lebensfremd, untergraben das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und stellen staatliche Sicherheitsinteressen hintan.

Großbritannien als Vorreiter: Rückzug vom EGMR wird diskutiert
Bereits 2020 forderten britische Konservative einen klaren Bruch mit dem EGMR. Der einflussreiche Jurist Martin Howe warf dem Gericht vor, die EMRK durch eine überdehnte Rechtsprechung „transformiert“ zu haben – entgegen dem Willen der ursprünglichen Vertragsstaaten.
Dominic Cummings, Berater von Premierminister Boris Johnson, kritisierte den Gerichtshof scharf: Er verhindere die Abschiebung gefährlicher Straftäter. Innenministerin Priti Patel sprach von einem „Missbrauch“ durch europäische Richter, und Ex-Verteidigungsminister Michael Fallon wollte das Menschenrechtsgesetz für Auslandseinsätze der britischen Armee aussetzen.
Johnson selbst ließ durchblicken, dass ein kompletter Ausstieg aus der EMRK denkbar sei – um die nationale Gesetzgebungshoheit zu sichern.
Sachslehner: EMRK ist „aus der Zeit gefallen“
Noch schärfer äußert sich die frühere ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner: Nicht nur die Auslegung der EMRK, sondern die Konvention selbst sei überholt. In einem exxpress-Kommentar nannte sie die mangelnde Reformbereitschaft „eines der größten Versagen der EU der letzten Jahre“ – weil die Konvention verhindere, dass kriminelle Migranten ausgewiesen werden. „Dass es ein europäisches Regelwerk gibt, das EU-Staaten dazu zwingt, selbst schwere Gewalttaten hinzunehmen und ihnen keine Handhabe gibt, die Täter des Landes zu verweisen, ist in höchstem Maße unverantwortlich.“
Sachslehner fordert eine grundlegende Überarbeitung: Die Realität seit 2015 – Massenzuwanderung, Kriminalität, Werteverfall – erfordere ein Umdenken. „Viele der Menschen, die zu uns nach Europa gekommen sind, treten unsere Werte mit Füßen. Und um dem etwas entgegenzusetzen, daran hindert uns leider in vielen Fällen die EMRK.“
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