Albanien auf EU-Kurs: Erstes muslimisches Land im Anflug
Trotz Armut, Korruption und hoher Jugend-Arbeitslosigkeit wird Albanien als „Frontrunner“ beim EU-Beitritt gefeiert. Das Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit könnte ab 2030 Teil der christlich geprägten Union werden.
Mit Albanien würde das erste Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit der EU beitreten.IMAGO/Wirestock
Trotz wirtschaftlichen Herausforderungen in ganz Europa geht die EU-Erweiterung munter weiter. Derzeit wird Albanien regelrecht gehypt. Wie die anderen Westbalkanstaaten Montenegro, Serbien und Nordmazedonien, befindet sich auch Albanien bereits seit Jahren in Beitrittsverhandlungen mit der EU. Am Mittwoch wurde ein Bericht über die Fortschritte des Landes im EU-Parlament vorgelegt und SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder überschlägt sich geradezu vor Begeisterung: „Albanien wird nicht umsonst als ,Frontrunner‘ unter den EU-Beitrittskandidaten bezeichnet. Das Land bewegt sich mit großen Schritten auf das Beitrittsziel 2030 zu, auch wenn noch viel zu tun bleibt. Insbesondere wenn man die politischen Entwicklungen über die letzten Jahrzehnte in Albanien betrachtet, sind die Reformbemühungen des Westbalkanlandes beeindruckend.” Man bemerke: Die „Reformbemühungen” seien beeindruckend.
Weiters habe laut Schieder Albanien „in Bereichen wie Justiz, Korruptionsbekämpfung und Umweltschutz bemerkenswerte Fortschritte erzielt.” Allerdings müsse der „Beitritts-Frontrunner” das Wirtschaftsmodell erweitern, Arbeitsplätze schaffen und das Sozialsystem verbessern. „Zudem muss eine umfassende und inklusive Wahlreform umgesetzt werden“, so Schieder.
Albanien hat eine muslimische Bevölkerungsmehrheit
Wie steht es nun wirklich um dieses großartige Musterland? Albanien liegt wunderschön an der Adria und dem Ionischen Meer, weist rund 427 Kilometer malerische Küste auf und beherbergt auf einer Fläche von 28.748 Quadratkilometern rund 2,4 Millionen Einwohner.
Allerdings: Der Islam ist die größte Religion in Albanien. Sprich: Mit Albanien würde das erste Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit der EU beitreten. Somit ist die christliche-geprägte Kultur mit ihren Werten kein Kriterium mehr für einen EU-Beitritt.
Auch die Kriminalität ist nicht zu unterschätzen. Laut dem deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die organisierte Kriminalität ein bedeutendes Problem. „Kriminelle Netzwerke sind in lokale und regionale Strukturen eingebettet und arbeiten teilweise mit der Polizei zusammen. Die Unterwanderung des Staatsapparats durch organisierte Kriminalität zeigt sich am Schutz des Drogenhandels durch Bestechung und Korruption, insbesondere bei der Grenzpolizei”, ist auf der Homepage des BAMF zu lesen.
Ebenfalls bedenklich ist die Jugendarbeitslosigkeit mit etwa 22 Prozent. Trotz allem, Albanien ist für die SPÖ der „Beitritts-Frontrunner”.
Wenn Albanien die Speerspitze der Beitrittskandidaten ist, lohnt sich ein Blick auf die anderen Kandidaten. Da wäre natürlich der große Liebling von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Ukraine. Das Land, das sich im Krieg mit Russland befindet, wurde im Juni 2022 zum EU-Beitrittskandidaten ernannt, die Beitrittsverhandlungen begannen offiziell im Juni 2024. Hier soll es schnell gehen, das vom Krieg zerstörte Land durch EU-Steuergelder wieder aufzubauen. Allerdings blockiert Ungarn derzeit die Aufnahme weiterer Verhandlungskapitel.
Ein weiteres Herzensprojekt von von der Leyen ist der EU-Beitritt von Moldau, dem ärmsten Land Europas. Die Armut wird mit dem EU-Beitritt allerdings vorbei sein. Der Westen darf zahlen, und der Anfang wurde auch gleich am 4. Juli beim EU-Moldau-Gipfel gemacht: Von der Leyen gab im Namen der EU eine erste (!) Tranche in Höhe von 270 Millionen Euro aus dem 2024 beschlossenen Wachstumsplan frei. Das Geld fließt unter anderem in ein Fernwärmenetz.
Auch Georgien wurde im Dezember 2023 der Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Das Land in Vorderasien liegt geografisch natürlich sehr interessant für einen EU-Beitritt. Georgiens Nachbarländer sind die Türkei (an ihrem östlichen Ende!), Aserbaidschan, Armenien und Russland, das zwei Regionen in Georgien mit Streitkräften besetzt hat – wunderbare Voraussetzungen also für einen EU-Beitritt.
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