Aufgedeckt: So (in)transparent sind Österreichs NGOs
Österreichs Hilfsorganisationen bekommen öffentliche Aufträge und Subventionen in Millionenhöhe. Doch mit ihren Finanzen gehen die NGOs nicht immer transparent um. Eine Recherche von Lucas Ammann.
„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“, schrieb bereits Goethe. Österreichs Hilfsorganisationen helfen vielen Menschen auf der ganzen Welt. Doch sind sie dabei auch edel und gut? Und vor allem: Wie transparent gehen sie mit ihren Finanzen um? Vorweg: Die Transparenz lässt an mancher Stelle zu wünschen übrig.
Die meisten Hilfsorganisationen sind in Österreich als gemeinnützige Vereine organisiert. Im Unterschied etwa zu Kapitalgesellschaften müssen Vereine ihre Jahresabschlüsse nicht im Firmenbuch publizieren. Somit bleiben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), aus denen man etwa Vermögenswerte oder Aufwendungen einer Organisation ablesen könnte, meist im Verborgenen. „Das ist leider zwingende Folge der fehlenden Publizitätspflicht“, erklärt Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. Felix Karl Vogl gegenüber exxpress.
Der Experte weist auf ein weiteres Problem bei der Jahresabschlussprüfung hin, das nicht nur NGOs betrifft: „Wie bei allen im Sinne des Gläubigerschutzes abschlussprüfungspflichtigen Unternehmen liegt das Grundproblem der Prüfung darin, dass der zu prüfende Klient sich seinen Prüfer, den er selbst bezahlen muss, selbst aussuchen darf. Der für sein Einkommen auf Prüfungsaufträge angewiesene Prüfer hat ein Interesse daran, weitere solcher Prüfungsaufträge zu erhalten, und der zu prüfende Klient ein Interesse daran, dass die Prüfung schnell und reibungslos über die Bühne geht.“ Es gäbe also auch ein wirtschaftliches Interesse des Wirtschaftsprüfers an der Prüfung und etwaigen Wiederbestellungen.
Jahresabschlüsse nicht transparent
Der exxpress nahm stichprobenartig einige besonders bekannte NGOs und Hilfsorganisationen genauer unter die Lupe. Was dabei auffällt: Keine von ihnen publiziert ihren gesamten Jahresabschluss auf deren Websites. Freilich: Dazu sind sie – wie erwähnt – auch nicht verpflichtet. Jedoch zeigen internationale Vergleiche, dass das Verstecken von Bilanz und GuV nicht unbedingt üblich ist.
So wird vom Verein „Licht ins Dunkel“ etwa nur ein kurzer „Finanzbericht“ sowie ein Jahresbericht publiziert, die sich an den Kriterien des österreichischen Spendengütesiegels orientieren, auf das man auf Anfrage bei „Licht ins Dunkel“ auch gegenüber exxpress verweist. Diese Aufstellung ist freilich nicht gleichwertig mit einem umfänglichen Jahresabschluss. Zur Erinnerung: „Licht ins Dunkel“ ist jener Verein, der großzügig mit TV- und Radiosendungen des ORF unterstützt wird, in denen der öffentlich-rechtliche Sender gerade in der Weihnachtszeit um Spenden für „Licht ins Dunkel“ bettelt. Zusätzlich befindet sich der Verein auf der Liste begünstigter Einrichtungen des Finanzministeriums – die Spenden an „Licht ins Dunkel“ sind also steuerlich absetzbar. Zudem bekam der Verein im abgelaufenen Geschäftsjahr rund 14,3 Millionen Euro an Zuschüssen und Subventionen der öffentlichen Hand.
NGOs geben sich die Regeln selber
Die Idee des Spendengütesiegels: Wirtschaftsprüfer analysieren die Bücher der jeweiligen Organisation anhand eines Kooperationsvertrags, der zwischen der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und diversen NGOs abgeschlossen wurde. Dabei wird also nicht anhand gesetzlicher Kriterien geprüft, sondern nach jenen, die sich die Organisationen freiwillig selbst gegeben haben. Die NGOs können sich dabei auch ihren Wirtschaftsprüfer selber aussuchen.
Auch sind die Prüfberichte nicht öffentlich zugänglich, es ist weiters nicht bekannt, welcher Wirtschaftsprüfer welchen Verein mit welchem Ergebnis in welchem Zeitraum geprüft hat. „Die Wahl einer Kanzlei als Jahresabschlussprüferin wird durch den Vorstand im Zuge einer Generalversammlung beschlossen. Hierbei achten wir auf verschiedene Aspekte, u.a. auf die Erfahrung der Kanzlei hinsichtlich der Prüfung von gemeinnützigen Organisationen, der Höhe der Kosten im Zuge der Prüfung sowie der bisherigen Zusammenarbeit der Kanzlei mit anderen Organisationen“, sagt man bei „Licht ins Dunkel“ auf Anfrage.
Und weiter: „Selbstverständlich werden auch Qualitätsaspekte berücksichtigt, die sich in der Erfahrung der Prüfer, der Kommunikationsfähigkeit, des Krisenmanagements, dem effektiven Prüfverhalten, den IT-Kenntnissen oder der objektiven und verständlichen Berichterstattung der Prüfergebnisse zu den wichtigsten Kriterien äußern.”
100.000 Euro Bankspesen
Trotzdem verweist man bei allen Organisationen stolz auf das Gütesiegel. „Außerdem beinhaltet der Jahresbericht einen Finanzbericht, der eine schlüssige und vollständige Darstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält“, schreibt Mario Thaler, Geschäftsführer von „Licht ins Dunkel“ gegenüber exxpress. Es stimmt zwar, dass sich Mittelherkunft und -verwendung aus dem Bericht ablesen lassen, jedoch können daraus die einzelnen Aufwendungen für Personal, Marketing, Material etc. sowie Posten aus der Bilanz wie z.B. Pensionsrückstellungen oder Rücklagen nicht abgelesen werden.
Beim Finanzbericht von „Licht ins Dunkel“ fallen jedoch die recht hohen Bankspesen von über 100.000 Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr auf. Darauf angesprochen rechtfertigt sich Thaler folgendermaßen: „Als Verein sind wir sehr bemüht, die Verwaltungskosten gering zu halten, dies gilt auch für die Bankspesen. Gerade im Geschäftsjahr 2022/2023 sind viele Kosten gestiegen. Im Zuge dessen hat der Verein den Beschluss gefasst, einige Konten bei diversen Instituten zu schließen, um die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass LICHT INS DUNKEL aufgrund der vielen Direktüberweisungen (siehe Soforthilfe) ein höheres Transaktionsaufkommen hat als andere Organisationen.“
„Keine Veröffentlichungspflicht“
Weiters heißt es: „Wie von Ihnen richtig angemerkt, verlangt § 22 VerG von großen Vereinen, wie LICHT INS DUNKEL, eine qualifizierte Rechnungslegung in Form der Aufstellung eines erweiterten Jahresabschlusses (bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang), welcher durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist.“ Man verweist bei „Licht ins Dunkel“ auf die gesetzlich nicht vorhandene Veröffentlichungspflicht des Jahresabschlusses, dieser werde den Mitgliedern des Vereins und allen Kontrollorganen zur Verfügung gestellt. Das heißt im Klartext: „Licht ins Dunkel“ bilanziert zwar nach den Kriterien des Unternehmensgesetzbuchs (UGB), will den Jahresabschluss – aus welchen Gründen immer – nicht herzeigen.
„Licht ins Dunkel“ beschäftigt zwölf Mitarbeiter und nahm vergangenes Jahr darüber hinaus 22 Millionen Euro an Spenden ein. Mitglieder des Vereins sind große Organisationen wie die Lebenshilfe, „Rettet das Kind“, die Gesellschaft Österreichischer Kinderdörfer, die österreichischen Kinderfreunde, das österreichische Komitee für UNICEF, die Caritas sowie die Diakonie.
Großteils öffentlich finanziert
Viele Hilfsorganisationen werden größtenteils öffentlich finanziert. Das gibt man bei SOS-Kinderdorf etwa offen zu: „SOS-Kinderdorf finanziert sich neben Spenden zu einem Großteil aus öffentlichen Geldern. Das betrifft vor allem den Bereich, wo SOS-Kinderdorf als Auftragnehmer der Kinder und Jugendhilfe der Bundesländer einen öffentlichen Auftrag übernimmt. Alle Tarife (Tagsätze bzw. Kostenersätze) sind landesgesetzlich normiert“, heißt es von Thomas Resch von der Pressestelle des SOS-Kinderdorfs. Rund zwei Drittel der Vereinseinnahmen kamen laut aktuellem Finanzbericht aus öffentlichen Geldern.
Auch das SOS-Kinderdorf ist ein gemeinnütziger Verein und unterliegt nicht der Bilanzpublizität. Jedoch veröffentlichte der Verein in den vergangenen Jahren auch Auszüge aus dem Jahresabschluss, nämlich Bilanz und GuV. „Im Jahresbericht 2023 (Langversion) werden Bilanz und GuV wieder enthalten sein, ebenso die Zahl der Dienstnehmer*innen. Auch diesen wird SOS-Kinderdorf (auf freiwilliger Basis) wieder veröffentlichen. Allerdings dauert es noch etwas, er befindet sich aktuell gerade zur Abnahme bei unserem Wirtschaftsprüfer“, heißt es von der Pressestelle.
Caritas schweigt
Auch von der Caritas wollte exxpress wissen, weshalb der Jahresabschluss der Organisation nicht veröffentlicht wird. Die Caritas ist zwar kein Verein, aber als juristische Person des kirchlichen Rechts ebenfalls nicht zur Veröffentlichung ihrer Finanzgebarung verpflichtet. Die Organisation kassiert laut eigenen Angaben fast 700 Millionen Euro an Entgelten für Dienstleistungen aus öffentlichen Mitteln, dazu kommen nochmals fast 140 Millionen Euro an Subventionen und Zuschüsse der öffentlichen Hand.
Der exxpress fragte die Caritas – wie alle anderen Organisationen – ob es eine Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Jahresabschluss gäbe und wieso die Caritas ihre Bilanz nicht öffentlich zur Verfügung stelle. Die Caritas entschied sich jedoch bis zum Redaktionsschluss für diesen Beitrag, die exxpress-Anfrage als einzige der angefragten Organisation nicht zu beantworten.
Ärzte ohne Grenzen vorbildlich transparent
Vielleicht sollte sich die Caritas Österreich ein Vorbild an anderen Partnerorganisationen im Ausland nehmen: So veröffentlichen etwa der Deutsche Caritasverband oder die Caritas Schweiz ganz selbstverständlich ihren Jahresabschluss samt Bilanz, GuV und Anhängen transparent auf deren Homepage. Jedes kleinste Detail wird aufgelistet und erklärt, teilweise sogar inklusive Bericht des Wirtschaftsprüfers.
Dass es auch in Österreich transparent geht, zeigt etwa „Ärzte ohne Grenzen“. Der Verein bekommt in Österreich keinerlei öffentliche Zuwendungen, finanziert sich also ausschließlich über private Spenden. Die Organisation trägt nicht nur das Österreichische Spendengütesiegel, sondern bietet exxpress sogar an, den Jahresabschluss jederzeit im Büro von „Ärzte ohne Grenzen“ einzusehen. „Bis zum Jahr 2021 wurde zusätzlich zum Jahresbericht ein Finanzbericht veröffentlicht. Das Interesse daran war überschaubar, daher sind wir dazu übergegangen, den Jahresbericht in seiner jetzigen Form zu gestalten und Interessierten die Einsicht in Details im Büro zu gewähren“, heißt es dazu von Christiana Bell aus der Pressestelle.
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